Der BFH vertrat hingegen die folgende Auffassung: Die Einflussnahme auf politische Willensbildung und die Gestaltung der öffentlichen Meinung erfüllt grundsätzlich keine gemeinnützigen Zwecke. Eine gemeinnützige Körperschaft ist nur dann noch gemeinnützig tätig, wenn die Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung ausdrücklich den gemeinnützigen Zwecken dient. Dies ist dann der Fall, wenn bildungspolitische Fragestellungen im Vordergrund stehen. Dabei muss sich die politische Bildung in „geistiger Offenheit“ vollziehen. Sie darf nicht eingesetzt werden, um die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen.
Der Bereich der gemeinnützigkeitsrechtlich noch zulässigen steuerbegünstigten politischen Bildung ist überschritten, wenn Lösungsvorschläge für Problemfelder der Tagespolitik durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und öffentliche Meinung durch weitere Maßnahmen durchgesetzt werden sollen.
Der BFH stellte fest, dass es sich bei den in den Streitjahren durchgeführten Kampagnen „im Schwerpunkt nicht um die Vermittlung von Bildungsinhalten zu diesen Themen, sondern um eine öffentlichkeitswirksame Darstellung und Durchsetzung eigener Vorstellungen zu tagespolitischen Themen und damit um die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und auf die öffentliche Meinung“ gegangen sei.
Der BFH wertete die Tätigkeiten im Rahmen der durchgeführten Kampagnen als Einflussnahme auf die politische Willensbildung und auf die öffentliche Meinung, die keinen Bezug zur Bildungspolitik und auch keinen Bezug zur Förderung des demokratischen Staatswesens im Sinne der Ziff. 7 und 24 des § 52 Abs. 2 AO aufweise.
Für sog. „Kampagnenorganisationen“ bleibt es auch nach dem BFH-Urteil unsicher, weil die Abgrenzung zwischen noch gemeinnützigkeitsrechtlich zulässiger politischer Bildung und der Einflussnahme auf die politische Willensbildung und der öffentlichen Meinung in der Praxis schwierig sein dürfte. Das BFH-Urteil liefert u.E. hier folgende Aussagen, die die gemeinnützige Einrichtung als Überprüfung der eigenen Tätigkeit heranziehen kann:
Kampagnenorganisationen überschreiten nicht per se die Förderung der politischen Bildung im Sinne der Abgabenordnung.
Aber: Schwerpunkt der Tätigkeit muss Vermittlung von Bildungsinhalten zu politischen Themen sein.
Politische Bildung muss in „geistiger Offenheit” erfolgen; es können auch „Lösungsvorschläge für Problemfelder der Tagespolitik“ erarbeitet werden (Verweis auf politische/parteinahe Stiftungen)
Die Grenze zu Einflussnahme ist überschritten, wenn Ergebnisse mittels weiterer Maßnahmen durchgesetzt werden sollen. Diese weiteren Maßnahmen waren u.a. bei Attac:
Entwicklung von Gegenvorstellungen,
Erhebung konkreter steuerpolitischer Forderungen zur Einnahmeverbesserung des Gesamtstaats
Kritik an Gesetzesvorschlägen der Bundesregierung
Online-Appelle an die Bundesregierung
Politische Forderungen im Zusammenhang mit einem geplanten Steuerabkommen
Unterschriftensammlungen
Forderung, Maßnahmen der demokratischen Kontrolle der Öffentlichkeit zu unterwerfen
Soweit die gemeinnützige Einrichtung auch z.B. den Umweltschutz oder den Verbraucherschutz fördert (= andere gemeinnützige Zwecke), ist die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die Gestaltung der öffentlichen Meinung gemeinnützigkeitsrechtlich möglich (die gemeinnützige Tätigkeit kann „im Einzelfall zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung“ verbunden sein). Die Einflussnahme hat parteipolitisch neutral zu erfolgen.
Ob ein Finanzbeamter diese filigrane Differenzierung zwischen noch Vermittlung von Bildungsinhalten und bereits Durchsetzung eigener Vorstellungen im Einzelnen beurteilen kann, wird u.E. in der Praxis problematisch werden.