GmbH-Geschäftsführer haften nicht persönlich für Mindestlohn

14.10.2023
Wirtschaft, Gesellschaft & Handel 4/2023
3 Minuten

Geschäftsführer einer GmbH haften gegenüber den Arbeitnehmern der GmbH nicht deshalb auf Schadensersatz, weil sie im Einzelfall für Verstöße der GmbH gegen ihre Verpflichtung aus § 20 MiLoG (Mindestlohngesetz), ihren Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zu zahlen, bußgeldrechtlich verantwortlich sind (BAG, Urt. v. 30.03.2023, Az. 8 AZR 199/22).

Worum geht es? 

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagten dem Kläger zum Schadensersatz wegen unterbliebener Vergütungszahlung verpflichtet sind. Der Kläger hatte im Juni 2017 an 22 Arbeitstagen keinen Lohn bekommen. Er nimmt die Beklagten als Geschäftsführer seiner vormaligen Arbeitgeberin gesamtschuldnerisch in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns in Anspruch.

Er vertritt die Ansicht, dass die Beklagten ihm aus § 823 II BGB persönlich haften. Nach § 21 I Nr. 9 in Verbindung mit § 20 MiLoG sei die fahrlässige oder vorsätzliche Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestlohns bußgeldbewehrt. Die Beklagten seien als gesetzliche Vertreter der Schuldnerin nach § 9 OWiG taugliche Täter der Ordnungswidrigkeit, sie hätten den Bußgeldtatbestand zumindest auch fahrlässig verwirklicht.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Die seitens der Schuldnerin unterlassene Zahlung sei ihnen nicht vorwerfbar. Jedenfalls stellten die im Mindestlohngesetz verankerten Bußgeldtatbestände keine Schutzgesetze zulasten der Geschäftsführer einer GmbH im Verhältnis zu den Arbeitnehmern der Gesellschaft dar.

Im November desselben Jahres eröffnete das Amtsgericht Gera das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmens.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Schadensersatzbegehren weiter.

Wie entschied das Gericht? 

Das BAG hielt die Revision des Klägers für unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz.

Die Beklagten haften als Geschäftsführer der Schuldnerin dem Kläger nicht persönlich für die unterbliebene Zahlung des Mindestlohns. Nach der gesetzlichen Wertung sei die Haftung von Geschäftsführern einer GmbH grundsätzlich auf das Verhältnis zur Gesellschaft begrenzt, § 43 II GmbHG. Außenstehenden Dritten haften sie grundsätzlich nicht persönlich.

Ein Geschäftsführer einer GmbH haftet nur dann persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wenn ein besonderer Haftungsgrund gegeben ist. Ein solcher läge vorliegend aber nicht vor. Die Beklagten seien dem Kläger nicht nach den § 823 II BGB in Verbindung mit §§ 21 I Nr. 9, 20 MiLoG in Verbindung mit § 9 OWiG zum Schadensersatz verpflichtet. Der Bußgeldtatbestand stelle kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB zugunsten der Arbeitnehmer der Gesellschaft in ihrem Verhältnis zu den Geschäftsführern der Gesellschaft dar.

Ein solche Annahme würde dazu führen, dass die Geschäftsführer einer Gesellschaft bereits bei nur leichter fahrlässiger Verwirklichung des Bußgeldtatbestands nach § 823 II BGB auf Schadensersatz in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns in Anspruch genommen werden könnten. Dies wiederum hätte zur Folge, dass die Arbeitnehmer in einer Vielzahl von Fällen im Hinblick auf die Zahlung des Mindestlohns über die GmbH als ihren Vertragsarbeitgeber hinaus mit dem Geschäftsführer(n) einen weiteren oder weitere Schuldner hätten. Hierdurch würde das Haftungssystem des GmbHG, in dem es eine allgemeine Durchgriffshaftung auf die Geschäftsführer der Gesellschaft nicht gibt, für den Bereich der Vergütungspflicht des Arbeitgebers, jedenfalls in Höhe des Mindestlohns, vielfach konterkariert.

Praxishinweis

Die Außenhaftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft ist nach § 13 Abs. 2 GmbHG auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Zwar umfasst die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung, die nach § 43 Abs. 1 GmbHG den Geschäftsführern einer GmbH aufgrund ihrer Organstellung obliegt, auch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft rechtmäßig verhält und ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt (sog. Legalitätspflicht). Diese Pflicht besteht aber grundsätzlich nur der Gesellschaft gegenüber und nicht auch im Verhältnis zu außenstehenden Dritten.

Bildnachweis:filmfoto/Stock-Fotografie-ID:467942836

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