In der Start-Up-Finanzierung können Hinauskündigungsklauseln, die vorsehen, dass Gründer bei ordentlicher Kündigung ohne eigenes Verschulden im ersten Jahr ihre Anteile an der Gesellschaft verlieren, wirksam sein (KG Berlin v. 12.08.2024 - 2 U 94/21).
Im Berufungsverfahren stritten die Beteiligten über die Gesellschafterstellung des Klägers. Dieser war Mitgründer der C-GmbH. Die Gesellschaft, ursprünglich als UG gegründet, schloss einen Investmentvertrag mit Investoren ab, die 1,373 Millionen Euro gegen Ausgabe von Anteilen investierten.
Im Rahmen des Vertrags unterwarfen sich die Gründer einer Vesting-Klausel. Dies ist eine vertragliche Regelung, die festlegt, dass ein Gründer das Recht auf bestimmte Anteile erst über einen festgelegten Zeitraum erwirbt (meist drei bis vier Jahre). Vesting-Regelungen sollen die Gründer an das Unternehmen binden, um weiterhin ihr gesamtes Know-how einzubringen. Verlässt ein Gründer das Unternehmen vor dem Ende des Vesting-Zeitraums, behält er nur die Anteile, die er bis zu diesem Zeitpunkt verdient hat. Der festgelegte Vesting-Zeitraum der Beklagten betrug drei Jahre. Die entsprechende Ausscheidensregelung für die Holdinggesellschaft sah vor, dass die Gründer bei ordentlicher Kündigung ihrer Beschäftigungsverhältnisse im ersten Jahr des Vesting-Zeitraums sämtliche Geschäftsanteile verlieren.
Innerhalb des ersten Jahres des Vesting-Zeitraums wurde der Kläger freigestellt. Er verhandelte ein halbes Jahr über sein Ausscheiden, welches schließlich durch ordentliche Kündigung bestätigt wurde. Der Kläger war der Ansicht, dass die Erwerbspositionen über seine Anteile gegen die guten Sitten verstoße und damit unwirksam sei.
Das Landgericht Berlin wies seine Klage in der Vorinstanz ab. Die Berufung des Klägers vor dem Kammergericht Berlin hatte ebenfalls keinen Erfolg.
Das Gericht stellte unter anderem fest, dass eine Hinauskündigungsklausel in Form einer befristeten Vesting-Regelung wirksam ist, wenn sie bei einem Start-Up-Unternehmen dazu dienen soll, den Fortbestand der Gesellschafterstellung eines Gründers mit seinem weiteren Einsatz für das Unternehmen zu verknüpfen.
Das KG führte zunächst die Rechtsprechung des BGH an, welcher Hinauskündigungsklauseln, bei denen den übrigen Gesellschaftern das Recht eingeräumt wird, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen, als nichtig ansieht. Ein rechtfertigender sachlicher Grund liegt vor allem bei einem vorwerfbaren Verhalten vor.
Laut KG könnte es durchaus gerechtfertigt sein, einen Gründer während des ersten Jahres eines Vesting-Zeitraums durch eine Hinauskündigungsklausel vollständig aus seiner Gesellschafterstellung zu drängen. Zwar würde der Gründer hierdurch um die Früchte seines bisherigen Beitrags zum (künftigen) Erfolg des Unternehmens gebracht werden. Ein bestimmter Zeitraum, wie vorliegend das erste Jahr, könne aber genutzt werden, um etwaige Differenzen zwischen den Gesellschaftern auszuräumen und tragfähige Kompromisse zu finden.
Eine solche Regelung läge schließlich sowohl im Interesse der Gründungsgesellschafter als auch der Investoren. Investments in Start-ups bringen für die Investoren Unsicherheiten mit sich, weshalb diese sich darauf verlassen müssten, dass die Gründer sich mit ihrem Know-how und Arbeitseinsatz voll in das Unternehmen einbringen. Die Gründer können ihnen in der Regel keine klassischen Sicherheiten bieten. Gleichzeitig könnte ein Interesse daran bestehen, die Gründer sich zeitlich begrenzt bewähren zu lassen, damit nicht bereits im Rahmen der Investmententscheidung der Vertrauensvorschuss zurückhaltender gehandhabt oder mit erhöhtem Ausfallrisiko gerechnet werden muss. Die Vesting-Regelung liege damit im ex-ante Interesse der Gründer.
In dieser – für das Unternehmen wichtigen – Phase sei es daher gerechtfertigt, den Fortbestand der Gesellschafterstellung des Gründers mit seinem weiteren Einsatz für das Unternehmen zu verknüpfen.
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