Zeiterfassung – Über das „Wie“ muss schon jetzt verhandelt werden

11.08.2023
Aktuelles
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Es gibt wohl kein wichtigeres Thema für Arbeitgeber im Jahr 2023 als die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Während die Bundesregierung einen unausgegorenen Referentenentwurf vorgelegt hat (SCHOMERUS berichtete) und sich seitdem bis auf eine Aussprache im Bundestag und einer Überweisung eines Oppositionsantrags an den Ausschuss für Arbeit und Soziales des Bundestags bedeckt hält, gerät nun an anderer Front Bewegung in die Sache, die Arbeitgeber aufhorchen lassen sollte. Dem Betriebsrat steht ggf. schon jetzt ein Recht zur Initiative zu Verhandlungen über das „Wie“ der Zeiterfassung zu, wie das Landesarbeitsgericht (LAG) München mit Beschluss vom 22.05.2023, Az. 4 TaBV 24/23 entschied, welcher nun im Volltext vorliegt.

Was ist Hintergrund der Entscheidung?

Der Betriebsrat eines Konzernunternehmens forderte den Arbeitgeber auf, Verhandlungen über die Art der Zeiterfassung bei den Außendienstmitarbeitern aufzunehmen, da bisher nur eine Konzernbetriebsvereinbarung über die Arbeitszeit und deren Erfassung für Mitarbeiter im Innendienst über das konzerneinheitliche System SAP HCM bestand.

Der Arbeitgeber verweigerte diese Gespräche mit der Begründung, zum einen sei der Konzernbetriebsrat für die bereits ins Auge gefasste elektronische Zeiterfassung zuständig, zum anderen wolle er aufgrund der im Gesetzentwurf enthaltenen Tariföffnung die bald geltenden gesetzlichen Neuregelungen abwarten, auch weil man hoffe, der Außendienst werde von den Regelungen nicht erfasst. 

Hiergegen setzte sich der Betriebsrat mit Erfolg gerichtlich zur Wehr und setzte vor dem Landesarbeitsgericht München die Einsetzung einer Einigungsstelle durch.

 

Womit begründet das Landesarbeitsgericht München seine Entscheidung?

Das Landesarbeitsgericht München begründet diese Entscheidung mit den insoweit eindeutigen Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in seiner Entscheidung vom 13.09.2022 (1 ABR 22/21). Dieses hat ganz klar folgenden Maßstab gebildet: Der Arbeitgeber ist aufgrund der bereits jetzt bestehenden Gesetzeslage verpflichtet, Arbeitszeiterfassungssysteme bereitzustellen. Ein Initiativrecht des Betriebsrats ist daher in Bezug auf das „Ob“ der Zeiterfassung ausgeschlossen. Hingegen besteht im Hinblick auf das „Wie“ ein Initiativrecht. Dies hat das LAG München nun um eine zwar in der BAG-Entscheidung angelegte, jedoch nicht explizit gemachte Nuance konkretisiert. Es besteht kein (zeitliches) Rangverhältnis zwischen dem „Wie“ und dem „Ob“ in dem Sinne, dass der Arbeitgeber sich zunächst zum „Ob“ entschließen und dann mit dem Betriebsrat über das „Wie“ verhandeln muss. Vielmehr kann der Betriebsrat bereits zum jetzigen Zeitpunkt Verhandlungen über das „Wie“ anstoßen. Der Arbeitgeber kann sich hier nicht mit dem Argument zur Wehr setzen, er habe noch nicht entschieden, ob er sich gesetzeskonform verhalten und eine Zeiterfassung einführen wolle. Ebenso könne er sich nicht darauf berufen, bereits eine Vorentscheidung über die Art und Weise der Zeiterfassung getroffen zu haben, die dann die Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats erfordert. Denn Ziel des Mitbestimmungsrechts sei es, im Interesse der betroffenen Mitarbeiter durch gleichberechtigte Mitsprache des Betriebsrats eine möglichst effiziente Umsetzung des gesetzlichen Arbeitsschutzes – dessen Ausfluss die Zeiterfassung ist – zu gewährleisten. Dies würde durch eine einseitige Vorfestlegung gerade nicht erreicht. Auch sei hierfür regelmäßig das örtliche Gremium zuständig, weil es Kenntnis der konkreten Umstände des einzelnen Betriebes habe.

 

Praxistipp:

Jeden Arbeitgeber sollte dies Entscheidung aufhorchen lassen. Denn Betriebsräte sind angesichts der hier besprochenen Entscheidung schon jetzt in der Lage, Fragen des „Wie“ der Zeiterfassung aktiv mitzugestalten. Mit Blick auf die durch die weiterhin nicht geklärten gesetzgeberischen Vorgaben zur Zeiterfassung könnten hier also bereits jetzt weitgehende Regelungen zum „Wie“ getroffen werden, die dann unter Umständen nur schwer wieder rückgängig gemacht werden. Es ist als Arbeitgeber daher ratsam, hier eine kurzfristige Kündigung der getroffenen Regelungen ohne Nachwirkung zu vereinbaren.

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