Die Infektionsschutzmaßnahmen der beklagten freie Hansestadt Bremen während des “ersten und zweiten Lockdowns“ (März 2020 bis Juni 2021) beruhten auf einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage. Die staatlichen Corona-Hilfen sind daher mit Art. 3 I und Art. 14 I GG vereinbar (BGH, Urt. v. 11.04.2024, Az. III ZR 134/22).
Die Klägerinnen betreiben jeweils ein Hotel in Bremen mit einem eigenen Restaurant. Sie sind Teil einer bundesweit tätigen Hotelgruppe. Sie begehren die Feststellung, dass die Beklagte ihnen die Kosten und Gewinneinbußen zu ersetzen hat, die sie auf Grund der Infektionsschutzmaßnahmen der Beklagten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erlitten habe. Nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag konnten die Klägerinnen während des “ersten und zweiten Lockdowns“, also März bis Mai 2020 und November 2020 bis Juni 2021, 199 Tage von ihren Hotelbetrieben keinen bestimmungsgemäßen Gebrauch machen. Darüber hinaus mussten die hoteleigenen Restaurants 58 Tage beziehungsweise 230 Tage geschlossen werden und von März bis Mai 2020 konnten 56 Tage keine Veranstaltungen stattfinden. Die Klägerinnen haben geltend gemacht, die angeordneten Schutzmaßnahmen seien rechtswidrig, insbesondere unverhältnismäßig, gewesen. Die staatlichen Hilfen hätten keine ausreichende Kompensation dargestellt, weil die Förderprogramme zum einen die Existenzgefährdung der Geschäftsbetriebe nicht beseitigt und zum anderen konzernangehörige Unternehmen gegenüber Einzelunternehmen gleichheitswidrig benachteiligt hätten. Das LG wies die Klage ab und auch die Berufung vor dem OLG blieb erfolglos.
Nun hat auch der BGH die Revision der Klägerinnen zurückgewiesen. Die angegriffenen Infektionsschutzmaßnahmen der Beklagten waren rechtmäßig und die Ausgestaltung der staatlichen Corona-Hilfen halten einer Überprüfung gemäß Art. 3 I und Art. 14 I GG stand. Ansprüche nach dem IfSG, dem BremPolG sowie nach den Grundsätzen über den enteignenden beziehungsweise enteignungsgleichen Eingriff bestehen nicht, da die Maßnahmen auf einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage beruhten. Bis zum 18.11.2020 war Rechtsgrundlage § 28 I S. 1 IfSG. Ab dem 19.11.2020 bildete zusätzlich zu §§ 28, 32 IfSG der durch Art. 1 Nr. 17 des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite eingeführte § 28a I Nr. 10, Nr. 12 und Nr. 13 IfSG die Rechtsgrundlage. Die Regelungen genügten jedenfalls bis Mitte November 2020 den Anforderungen an die Bestimmtheit und wurden darauf von § 28a IfSG hinreichend konkretisiert.
Der durch die von der Beklagten angeordneten Schutzmaßnahmen bewirkte Eingriff in die Gewerbebetriebe der Klägerinnen und damit Art. 14 I GG war verhältnismäßig. Mit Blick auf den der Beklagten zustehenden weiten Spielraum bei der Ergreifung von Schutzmaßnahmen, ist es nicht zu beanstanden, dass zur Eindämmung des Infektionsgeschehens die Klägerinnen ihre Hotelbetriebe über einen Zeitraum von insgesamt zehn Monaten nicht in dem von ihnen gewünschten und üblichen Umfang nutzen konnten. Dies gilt auch für den “zweiten Lockdown“ ab November 2020. Dessen Beginn war von einem deutlichen Anstieg der Fallzahlen gekennzeichnet. Hinzu traten weitere Virusarten und Hinweise auf eine erhöhte Übertragbarkeit sowie schwerere Krankheitsverläufe. Zudem wurden Eingriffe in Art. 14 I GG durch großzügige staatliche Hilfsprogramme entscheidend abgemildert. Während des ersten Lockdowns stand die Aufrechterhaltung der Liquidität der betroffenen Unternehmen im Vordergrund. Mit Fortdauer der Pandemie und der erneuten Verschärfung der Schutzmaßnahmen während des zweiten Lockdowns verschob sich der Fokus zur Eigenkapitalstärkung durch Gewährung nichtrückzahlbarer Zuschüsse. Im Rahmen des Ausgleichs wurden pauschalisierte Zuschüsse von bis zu 75 Prozent des Vergleichsumsatzes aus dem Jahr 2019 ausgezahlt. Von diesen Staatshilfen haben auch die Klägerinnen in großem Umfang profitiert. Die Hotelgruppe, der sie angehören, erhielt aus staatlichen Förderprogrammen insgesamt rund 73,6 Mio. €. Darüber hinaus hat sie aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds einen Kredit von 47,5 Mio. € erhalten. Nach alldem wurde ein verfassungsgemäßer Ausgleich zwischen der Grundrechtsbeeinträchtigung sowie dem Schutz besonders bedeutsamer Gemeinwohlbelange gefunden.
Auch seien die staatlichen Hilfsprogramme, soweit sie nach der Unternehmensgröße differenzieren, nicht entgegen Art. 3 I GG gleichheitswidrig ausgestaltet. Die Förderhöchstgrenze von zuletzt 54,5 Mio. € und der einen Abschlag auslösende Schwellenwert eines monatlichen Schadensvolumens von über vier Mio. € erklären sich daraus, dass die Zuschussprogramme des Bundes in besonderem Maße der Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen dienten. Für größere Unternehmen hatte die Bundesregierung mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds ein anderes wirksames Instrument geschaffen. Die Größe sei ein sachgerechtes Unterscheidungsmerkmal hinsichtlich der Verteilung staatlicher Hilfe. Kleine und mittlere Unternehmen habe eine große Bedeutung bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und haben einen positiven Einfluss auf soziale Stabilität und wirtschaftliche Dynamik eines Landes. Zugleich sind die gegenüber Großunternehmen typischerweise benachteiligt, da sie nicht den gleichen Zugang zu Kreditfinanzierung und zum Kapitalmarkt haben. Sie sind daher durch Liquiditätsengpässe schneller in ihrer Existenz gefährdet. Die Klägerinnen können ihr Unternehmerrisiko nicht auf die Allgemeinheit abwälzen und sich auf eine solidarische Lastenverteilung zu ihren Gunsten und auf Kosten kleiner und mittlerer Hotelbetriebe berufen.
Unterstellt die Benachteiligung bei der Gewährung von Corona-Hilfen wäre gleichheitswidrig erfolgt, hätte diese keinen Staatshaftungsanspruch zur Folge. Die Klägerinnen hätten allenfalls, unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Art. 3 I GG, einen Anspruch auf weitergehende, vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machende Leistungen aus den staatlichen Hilfsprogrammen.
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