Der BFH hat mit Urteil vom 22.08.2019 (Az.: V R 67/16) entschieden, dass eine Körperschaft nicht selbstlos handelt, wenn sie die durch Spenden ihrer Gesellschafter erlangten (nicht gebundenen) Vermögensmittel ausschließlich und von vorneherein zur Finanzierung einer von diesen Gesellschaften beherrschten Personengesellschaft einsetzt.
Die Klägerin wurde im Jahr 2010 mit dem Zweck gegründet, das Gesundheitswesen, insbesondere die Forschung und Bildung in diesem Bereich, zu fördern um Krankenhäuser und Kliniken zu unterstützen. Die Gesellschafter der Klägerin waren ebenfalls zu 98 % an einer weiteren Gesellschaft (im Folgenden: A-KG) beteiligt. Mit dieser schloss die Klägerin im Jahr 2010 und 2011 jeweils einen Darlehensvertrag. In diesen verpflichtete sich die Klägerin jeweils dazu, der A-KG ein Darlehen in Höhe von 3 Mio. € für die Dauer von zehn Jahren zu einem jährlich jeweils am 02.01. zu bestimmenden Zinssatz zu gewähren. Der Zinssatz richtete sich nach dem 1-Jahres-Euribor zzgl. einer Marge von 0,6%. Sicherheiten wurden nicht vereinbart. Die hierfür erforderlichen Mittel erhielt die Klägerin von ihren Gesellschaftern in Form von Spenden. Im Gegenzug stellte die Klägerin Spendenquittungen aus. Die Zinserträge aus den Gesellschafterdarlehen spendete die Klägerin im Jahr 2013 zur Erfüllung ihres Gesellschaftszwecks an eine Kinderklinik.
Das Finanzamt betrachtete die Vergabe zinsgünstiger und ungesicherter Darlehen an eine den Gesellschaftern nahestehende Personengesellschaft als vorrangige Förderung eigenwirtschaftlicher Zwecke. Deswegen wurde die Selbstlosigkeit i.S.d. § 55 AO verneint. Eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sowie § 3 Nr. 6 GewStG ist deshalb nicht gegeben. Daraufhin erließ das Finanzamt für die Jahre 2010 und 2011 Köperschafts- und Gewerbesteuermessbescheide.
Sowohl der Einspruch als auch die Klage der Klägerin gegen diese Bescheide bzw. die Einspruchsentscheidung blieben erfolgslos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, die Klägerin habe durch die Darlehensvergabe zu einem niedrigen Zinssatz verdeckt an die A-KG Gewinne ausgeschüttet. Zudem sei die äußerste Grenze eines unter Risikogesichtspunkten zulässigen Verhaltens dadurch überschritten worden, dass das Darlehen fast vollständig ohne Sicherung gewährt wurde. Eine solche Sicherung sei auch nicht aufgrund des Eigenkapitals der A-KG oder des großen Privatvermögens ihres Komplementärs entbehrlich.Der BFH bestätigt in seinem Urteil die Ansicht des FG und wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück. Die Voraussetzung für eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sowie § 3 Nr. 6 GewStG lägen nicht vor: Die Klägerin verfolge auch dann eigenwirtschaftliche Zwecke, wenn sie die Interessen der Gesellschafter wahrnimmt. Die Feststellung der Selbstlosigkeit erfordere eine Abwägung zwischen den eigenwirtschaftlichen Vorteilen und der Förderung der Allgemeinheit. Dabei erfasse der Selbstlosigkeitsgrundsatz nicht nur wirtschaftliche Vorteile in der Erwerbssphäre, sondern auch im privaten Bereich und damit ersparte Aufwendungen. Zwar erkennt der BFH auf der einen Seite, dass die Klägerin die Zinserträge für gemeinnützige Zwecke verwendet habe. Auf der anderen Seite hätten die Gesellschafter und die A-KG durch den Einsatz der Klägerin zur mittelbaren Gesellschafterfinanzierung der A-KG steuerliche Vorteile in erheblichem Umfang erlangt. Diese eigenwirtschaftlichen Vorteile würden die objektive Förderung des Gesundheitswesens überwiegen. Deswegen fehle es an der Voraussetzung der Selbstlosigkeit mit der Folge, dass keine Gemeinnützigkeit vorliege.