Eine gesetzliche Prozessführungsbefugnis besteht zu Gunsten eines BGB-Gesellschafters nach § 744 II BGB analog, sofern dringender Handlungsbedarf wegen einer Gefahr für die Gesellschaft oder ihr Vermögen besteht (OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.05.2023, Az. 4 U 25/22).
Der Kläger gründete 2018 zusammen mit S. eine GbR, welche in Folge eine Bäckerei betrieb. 2019 wurde die Bäckerei an den Beklagten veräußert. Dieser verpflichtete sich zur Zahlung des Kaufpreises sowie zur Übernahme weiterer ausstehender Verbindlichkeiten wie zum Beispiel offener Mieten. Nachdem er nach kurzer Zeit in finanzielle Schwierigkeiten geriet, veräußerte auch der Beklagte die Bäckerei gegen Zahlung des Kaufpreises und Übernahme der ausstehenden Verbindlichkeiten. Der Käufer leistete auf die Vereinbarung Teilzahlungen an den Kläger.
Der Kläger behauptete, sein Mitgesellschafter S. sei schon bald nach dem Verkauf der Bäckerei verschwunden, unauffindbar und damit faktisch aus der GbR ausgeschieden. Er jedoch habe für die GbR Rechnungen bezahlt, welche in der Höhe die Verbindlichkeiten aus der Übernahmevereinbarung zwischen der GbR und dem Beklagten übersteigen. Er beantragte daher, den Beklagten zur Zahlung der ausstehenden Summe zu verurteilen, entweder an ihn oder hilfsweise an die GbR. Von dem Weiterverkauf habe er erst im Nachhinein erfahren und eine Schuldübernahme mit befreiender Wirkung durch den neuen Käufer nicht akzeptiert.
Der Beklagte beantragt Klageabweisung. Zwischen ihm und dem neuen Käufer wurde bei Abschluss des Kaufvertrages vereinbart, dass letzterer die streitgegenständlichen Verbindlichkeiten, auch im Außenverhältnis, übernehmen und der Beklagte für diese nicht mehr haften soll. Der Kläger soll damit einverstanden gewesen sein.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung des ausstehenden Betrags an die GbR verurteilt. Zwar habe der Kläger, der für Ansprüche gegen die GbR in Vorlage getreten sei, keine eigenen Ansprüche gegen den Beklagten (Hauptantrag) und sei im gesellschaftsrechtlichen Innenverhältnis gehalten, seine Vorleistung in die Auseinandersetzung einzubringen. Er könne aber, entsprechend dem Hilfsantrag, Ansprüche der GbR gegen den Beklagten geltend machen und sei insoweit analog § 744 II BGB prozessführungsbefugt.
Der Beklagte hat nach seiner Verurteilung nach dem Hilfsantrag Berufung eingelegt und wendet sich vor allem gegen die angenommene Prozessführungsbefugnis des Klägers.
Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Landgericht hat die Voraussetzungen für eine Prozessführungsbefugnis des Klägers zur Geltendmachung von Ansprüchen der GbR gegen den Beklagten aus dem Unternehmenskaufvertrag im Ergebnis zu Recht angenommen.
Der Kläger macht vorliegend im eigenen Namen einen Anspruch geltend, der der GbR zusteht. Die Einziehung einer Gesellschaftsforderung ist bei einer Personengesellschaft ein Akt der Geschäftsführung, die grundsätzlich den geschäftsführenden Gesellschaftern obliegt. Die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts können nach § 709 I BGB die Geschäfte der Gesellschaft, falls nicht ein anderes vereinbart ist, nur gemeinschaftlich führen.
Anderes kann sich aus einer analogen Anwendung des § 744 II BGB ergeben. Besteht ein dringender Handlungsbedarf wegen einer Gefahr für die Gesellschaft oder ihr Vermögen, die keinen Aufschub bis zu einer Entscheidung der Gesellschafter duldet, hat jeder Gesellschafter entsprechend § 744 II BGB die Befugnis zu den Maßnahmen, die zur Erhaltung eines zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstands oder der Gesellschaft selbst notwendig sind.
Das Notgeschäftsführungsrecht analog § 744 II BGB kann auch die Erhebung einer Klage umfassen und verleiht dem Notgeschäftsführer dann eine gesetzliche Prozessführungsbefugnis. Da die GbR durch das Verschwinden des Mitgesellschafters S. praktisch beschlussunfähig geworden sei, sei die Geltendmachung der Ansprüche im Rahmen einer Notgeschäftsführung die einzige Möglichkeit, die Gesellschaftsforderungen noch zu realisieren und vor der Verjährung zu retten.
Bei der Prozessführungsbefugnis handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist. Ein Kläger ist prozessführungsbefugt, wenn er berechtigt ist, über das behauptete Recht einen Prozess als Partei im eigenen Namen zu führen. Grundsätzlich ist hierzu nur der Inhaber des Rechts befugt. Wer ein Recht einklagt, das nicht ihm selbst zusteht (Prozessstandschaft), muss seine Befugnis zur Führung des Prozesses dartun und notfalls beweisen.