Die Entlastung des Geschäftsführers nach § 46 Nr. 5 GmbHG bezieht sich lediglich auf die Geschäftsvorgänge, die für die Gesellschafter bei sorgfältiger Prüfung aufgrund der ihnen vorgelegten Unterlagen erkennbar waren. Die Entlastungswirkung tritt nicht ein, wenn der Geschäftsführer Informationen verschleiert hat (OLG Brandenburg, Urt. v. 29.06.2022, Az. 7 U 60/21).
Die Klägerin, welche ein Unternehmen des Elektroanlagenbaus betreibt, nimmt den Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer in Anspruch. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beklagte habe auf Kosten der Gesellschaft einen Wohnwagen für sich selbst und zu privaten Zwecken angeschafft. Der Wohnwagen stand unstreitig vor seinem Grundstück und wurde für Urlaubsreisen genutzt. Er erwarb zudem allerhand Zubehör für diesen. Die Klägerin beantragt die Zahlung des Kaufpreises sowie die Erstattung der erfolgten Aufwendungen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der Erwerb des Wohnwagens sei mit den Mitgesellschaftern abgestimmt gewesen. Er wäre erkennbar als ‘‘sonstiges Transportmittel‘‘ im Anlagespiegel unter der Bezeichnung ‘‘Bauwagen‘‘ mit aufgenommen worden und sollte zudem für die Klägerin im Rahmen von Baubesprechungen genutzt werden. Das Landgericht folgte der Argumentation mit der Begründung, durch die Auflistung im Anlagevermögen und der Unterzeichnung dessen durch den Geschäftsführer wäre eine Entlastung wirksam beschlossen worden.
Die Klägerin ging daraufhin in Berufung. Sie ist der Meinung, der Entlastungsbeschluss sei bereits formal nicht wirksam zustande gekommen. Auch hätte kein Anlagenspiegel vorgelegen, nur der Entwurf des Jahresabschlusses. In diesem wäre der Gegenstand der Anschaffung nicht ausreichend erkennbar gewesen; bei der Bezeichnung als ‘‘Bauwagen‘‘ handele es sich vielmehr um eine verschleiernde Angabe. Schließlich sei das Fahrzeug auch nicht für die in Rede stehende Baubesprechung notwendig gewesen, da in unmittelbarer Nähe Räume des Vertragspartners lagen, die für diese genutzt hätten werden können.
Das OLG Brandenburg hielt die Berufung für begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Ersatzanspruch aus § 43 II GmbHG.
Voraussetzung der Haftung ist eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers. Zur dessen Pflichten gehört unter anderem die Trennung eigener Interessen von den Interessen des Unternehmens, welches den Gläubigern mit seinem Gesellschaftsvermögen haftet, § 13 II GmbHG. Die Nutzung von Vermögen des Unternehmens zu eigenen Interessen ist damit nicht vereinbar. Mit der Anschaffung des Wohnwagens und der zu dessen Nutzung getätigten Aufwendungen auf Kosten der Gesellschaft liegt eine solche Pflichtverletzung vor.
Der Beklagte beruft sich darauf, dass die anderen Gesellschafter von der Anschaffung des Wohnwagens unterrichtet wurden und es mit ihnen abgestimmt gewesen sei. Ein Einverständnis aller Gesellschafter würde seine Haftung ausschließen. Der Beklagte ist für seine Behauptung, er habe den Erwerb des Wohnwagens mit den Mitgesellschaftern abgestimmt, beweispflichtig. Ein Beweisangebot fehlt jedoch; sein Vortrag, der Wohnwagen sei für Baubesprechungen gekauft worden, ist nicht erheblich, da sich daraus nicht die Einvernehmlichkeit der Anschaffung ergibt.
Die Haftung ist auch nicht wegen Entlastung des Beklagten nach § 46 Nr. 5 GmbHG ausgeschlossen. Die Entlastung setzt voraus, dass der Geschäftsführer zuvor Rechnung über seine Geschäftsführung gelegt hat. Inhaltlich bezieht sie sich auf alle Geschäftsvorgänge, die für die Gesellschafter bei sorgfältiger Prüfung aufgrund der ihnen vorgelegten Unterlagen erkennbar waren. Keine Entlastungswirkung tritt ein, wenn der Geschäftsführer Informationen verschleiert. Hinsichtlich der sachlichen Reichweite kann infolge des Vortrags des Beklagten lediglich die Anschaffung des Fahrzeugs von der Entlastung erfasst sein, weitere Positionen standen nicht in Rede. Aber auch die Anschaffungskosten sind nicht ohne Weiteres für die Gesellschafter erkennbar gewesen und folglich nicht von der Entlastung erfasst. Die vom Beklagten zur Erläuterung vorgelegte Unterlage stellt lediglich einen vorläufigen Jahresabschluss dar, der gerade keinen Anlagenspiegel enthält, sondern nur eine Position „sonstige Transportmittel“, mithin den Oberbegriff für sämtliche in das Anlagevermögen aufgenommenen Fahrzeuge.
Den Gesellschaftern obliegt zudem keine Pflicht, die Unrichtigkeit dieser Bezeichnung aufzuklären. Hätte der Beklagte den Wohnwagen als solchen bezeichnet, ist es zutreffend, dass die Gesellschafter hätten nachfragen müssen, warum ein so hochwertiger Wohnwagen angeschafft wird. Sofern aber nur unter der Bezeichnung ‘‘Bauwagen“ die Kosten für den Wohnwagen eingestellt werden, müssen sie jedenfalls nicht den Verdacht haben, dass etwas ganz anderes angeschafft worden ist. Was tatsächlich angeschafft wurde, wird mit der Bezeichnung nicht nur nichtzutreffend erfasst, sondern es wird irreführend eine andere Kategorie von Fahrzeugen bezeichnet. Die Verpflichtung der Gesellschafter zur Nachfrage ist darauf zu beschränken, dass der Anlass zur Nachfrage sich eindeutig ergibt.
Die Entlastung nach § 46 Nr. 5 GmbHG bedeutet, dass die Vorgänge der Geschäftsführung durch die Gesellschafter gebilligt werden. Damit wirkt sie haftungsbegrenzend zugunsten des Geschäftsführers. Aus Sicht des Geschäftsführers gilt es daher sicherzustellen, dass der Entlastungsbeschluss formell und rechtssicher zustande kommt. Anderenfalls kann die Entlastung anfechtbar oder sogar von Anfang an nichtig sein. Bei solchen Beschlussfehlern werden Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer wieder möglich.