Für den Zugang einer E-Mail im Geschäftsverkehr ist der Zeitpunkt maßgeblich, in dem die Nachricht auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt wird (BGH, Urteil v. 06.10.2022, Az. VII ZR 895/21).
Die Klägerin wurde von der Beklagten zur Verrichtung von Werktätigkeiten beauftragt. Nach der erfolgten Ausführung entstanden Streitigkeiten über die Höhe der ausstehenden Forderungen. Genauer fordert die Klägerin die Beklagte am 27.11.2018 zu einer Nachzahlung nebst Zahlung der Anwaltskosten auf. Mit Schreiben vom 13.12.2018 bot die Beklagte der Klägerin die Zahlung in dieser Höhe zur Erledigung der Angelegenheit an.
Am 14.12.2018 um 9:19 Uhr antworteten die Anwälte der Klägerin auf das ‘‘Angebot‘‘ der Beklagten per E-Mail. In diesem Schreiben wird auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass von weiteren Zahlungen abgesehen wird. Eine weitere E-Mail der Anwälte wurde am selben Tag um 9:56 versandt. Diese besagte, dass die vorherige E-Mail unberücksichtigt bleiben müsse, da derzeit nicht bestätigt werden könne, dass keine weiteren Forderungen erhoben würden. Am 17.12.2018 legt die Klägerin der Beklagten eine deutlich höhere Schlussrechnung vor.
Am 21.12.2018 zahlt die Beklagte den von ihr am 13.12.2018 angebotenen Betrag. Mit der daraufhin erhobenen Klage macht die Klägerin den Differenzbetrag geltend. Damit blieb sie allerdings vor sowohl dem Landgericht als auch dem Kammergericht erfolglos. Beide Instanzgerichte entschieden, dass zwischen den Parteien ein wirksamer Vergleich am 13.12.2018 zustande gekommen sei, weitere Forderungen der Klägerin seien demnach ausgeschlossen.
Die Klägerin geht nun vor dem BGH in Revision.
Der BGH folgt der Entscheidung der vorherigen Gerichte. Zwischen den beiden Parteien sei ein wirksamer Vergleich zustande gekommen, für Nachforderungen sei kein Raum. Die E-Mail des Klägers vom 14.12.2018 um 9:19 Uhr stellt ein wirksames Angebot auf Abschluss eines Vergleichs dar mit dem Inhalt, dass keine weiteren Forderungen erhoben würden, soweit gezahlt würde. Höchstrichterlich zu klären galt nun, ob dieses wirksame Angebot durch die E-Mail vom selben Tag um 9:56 Uhr widerrufen werden konnte (§ 130 I S. 2 BGB).
Um dies zu beantworten, musste geklärt werden, wann genau eine E-Mail im unternehmerischen Rechtsverkehr als zugegangen gilt.
Zum Teil wird angenommen, dass eine E-Mail dem Empfänger unmittelbar in dem Zeitpunkt zugeht, in dem sie abrufbereit in seinem elektronischen Postfach eingegangen ist. Nach anderer Ansicht geht eine E-Mail dem Empfänger, wenn ein Abruf im geschäftlichen Verkehr erwartet werden kann, an dem Tag zu, an dem sie abrufbereit im Postfach liegt. Maßgeblich ist danach, wann der Absender mit einer Kenntnisnahme der E-Mail nach dem üblichen Geschäftsablauf rechnen kann. Insoweit wird angenommen, dass ein Abruf der E-Mails spätestens bis zum Ende der Geschäftszeit zu erwarten ist
Der BGH schließt sich der erstgenannten Ansicht an. Eine E-Mail sei im unternehmerischen Rechtsverkehr dann zugegangen, wenn sie abrufbereit im elektronischen Postfach eingegangen ist. Insoweit sei im geschäftlichen Verkehr während der üblichen Geschäfts- oder Bürozeiten mit der Kenntnisnahme unmittelbar nach Eingang der Nachricht in dem elektronischen Briefkasten zu rechnen.
Im vorliegenden Fall bedeutet dies den Zugang des Angebots um 9:19 Uhr. Da mit dem Zugang eine Bindungswirkung einsetzt, die einen Widerruf ausschließt, konnte die E-Mail von 9:56 Uhr nicht als ein solcher gewertet werden. Indem die Beklagte am 21.12.2018 die in Rede stehende Summe an die Klägerin zahlte, hat sie das Angebot auch rechtzeitig angenommen.
Ist eine E-Mail erst einmal versendet, gibt es grundsätzlich kein Zurück mehr. Für den Zugang einer E-Mail im Geschäftsverkehr ist der Zeitpunkt maßgeblich, in dem die Nachricht auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt wird.