Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 17.04.2024 (Az. XI R 13/21), veröffentlicht am 29.08.2024, festgestellt, dass Zuweisungen eines Bundeslandes an eine Gemeinde zur Errichtung einer Anlegerbrücke für den öffentlichen Fährverkehr (ÖPNV) nicht als Entgelt einzustufen sind, sofern diese nicht als Gegenleistung für eine spezifische Leistung der Gemeinde gewährt werden, sondern vielmehr aus strukturpolitischen Erwägungen zur Förderung der Verkehrsinfrastruktur erfolgen. Das Gericht bestätigt im vorliegenden Fall zudem die volle Unternehmereigenschaft der Gemeinde und damit den vollen Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten der Brücke, auch wenn die den Eingangsleistungen gegenüberstehenden steuerpflichtigen Ausgangsleistungen nicht kostendeckend sind.
Im Umsatzsteuerrecht sind bei Zuschüssen vier zentrale Punkte zu prüfen:
Handelt es sich um ein verdecktes Entgelt?
Liegt ein Entgelt von dritter Seite vor?
Ist der Zuschuss als „echter“, nicht steuerbarer Zuschuss einzustufen oder besteht ein Zusammenhang zwischen Zuschuss und einer konkreten Gegenleistung?
Hat die steuerliche Einordnung des Zuschusses Auswirkung auf den Vorsteuerabzug?
Eben diese Fragen hatte der BFH in dem vorliegenden Urteil zu erörtern.
Im Streitfall ging es um die umsatzsteuerliche Behandlung von Landes- und Kreiszuweisungen, die eine Gemeinde für den Bau einer Anlegerbrücke erhielt. Die Klägerin war eine kreisangehörige Gemeinde, die aus verschiedenen Finanzierungsquellen (Landes- Kreis- und städtischen Zuweisungen) Zuschüsse für den Neubau einer Anlegerbrücke für den ÖPNV erhielt. Die dafür notwendigen Flächen erhielt die Gemeinde per Nutzungsvertrag kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Anlegerbrücke wurde nach Fertigstellung an die X-GmbH vermietet, die dafür ein fremdübliches Entgelt zahlte. Die Klägerin machte den vollen Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten geltend und vertrat die Auffassung, dass es sich bei den Landes- und Kreiszuweisungen um echte Zuschüsse handle. Einigkeit bestand nach dem erstinstanzlichen Urteil des Finanzgerichts Schleswig-Holstein (FG) darüber, dass dabei die Zuschüsse des Kreises und der Stadt neben der Nutzungsgebühr der X-GmbH steuerpflichtiges Entgelt darstellten (Entgelt von Dritter Seite), da der Kreis und die Stadt Aufgabenträger des ÖPNV waren. Das Finanzamt vertrat hingegen weiterhin die Auffassungen, dass auch der Landeszuschuss Entgelt von Dritter Seite und damit umsatzsteuerpflichtiges Entgelt sei.
In seiner Revision argumentierte das Finanzamt, die Landeszuweisung müsse ebenfalls als steuerpflichtiges Entgelt gelten, da sie preisauffüllenden Charakter habe und somit indirekt den Landeszuschuss beeinflusst habe. Der Kreis hätte nach Auffassung des Finanzamts ohne die Landeszuweisung wesentlich mehr für die Errichtung der Brücke an die Gemeinde zahlen müssen.
Der BFH bestätigte das Urteil des FG und entschied, dass die Landeszuweisung für den Bau einer Anlegerbrücke nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Die Zuweisung wurde vom Land aus strukturpolitischen Gründen zur Förderung der Verkehrsinfrastruktur gewährt und stellt kein Entgelt für eine Leistung der Gemeinde an das Land dar, da der öffentliche Personennahverkehr nicht zu den Aufgaben des Landes gehört. Das Land konnte der Gemeinde keine „eigenen“ Aufgaben gegen Entgelt übertragen, weshalb in der Zuweisung kein Entgelt für eine steuerbare Leistung zu sehen ist. Eine rein tatsächliche Verbindung der Zuweisung mit dem spezifischen Bauprojekt (hier der Brücke) sei nicht entscheidend, denn es liege weiterhin vorrangig eine allgemeine Förderung aus strukturpolitischen Gründen vor. Die Landeszuweisung sei grade kein Drittenentgelt für den Leistungsaustausch zwischen der Gemeinde und dem Kreis.
Der BFH bestätigte außerdem die volle Unternehmereigenschaft der Gemeinde und damit den vollen Vorsteuerabzug aus den Baukosten der Brücke. Nach unionsrechtskonformer Auslegung ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts Unternehmerin, wenn sie – wie vorliegend – auf privatrechtlicher Grundlage eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Auch wenn der Betrieb der Brücke defizitär bleibt (mit laufenden Einnahmen im vierstelligen Bereich bei siebenstelligen Baukosten), handelte die Gemeinde nach Auffassung des BFH wirtschaftlich. Schließlich ist nach der Rechtsprechung des EuGH die Bewirtschaftung von Bauten durch eine nicht gewinnorientierte Person, die eine gewerbliche wirtschaftliche Tätigkeit nur ergänzend ausübt, eine wirtschaftliche Tätigkeit. Dies gilt auch, wenn diese Bauten in erheblichem Maße mit staatlichen Beihilfen finanziert wurden und ihre Bewirtschaftung lediglich Einnahmen aus der Erhebung einer geringfügigen Gebühr erbringt, soweit diese Einnahmen aufgrund der vorgesehenen Dauer der Gebührenerhebung nachhaltig sind. Der Umstand, dass die Brücke für die Bürger kostenlos zugänglich sei, hat nach Ansicht des BFH ferner keinen Einfluss auf den Vorsteuerabzug, da der mögliche Nutzen für die Allgemeinheit als nebensächlich betrachtet wird.
Abschließend stellt der Senat fest, dass nichtsteuerbare Zuschüsse die Vorsteuerabzugsquote nicht beeinflussen. Bei Eingangsleistungen, die unmittelbar und direkt mit steuerpflichtigen Umsätzen zusammenhängen, sei die Art der Finanzierung – ob durch Einnahmen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit oder durch Zuschüsse – für den Vorsteuerabzug irrelevant.
Dieses positive Urteil hat für die Praxis eine hohe Bedeutung. Wurde in der Vergangenheit doch immer wieder über die Steuerbarkeit von Zuschüssen gestritten, zeigt es Grenzen auf und stellt klar, dass Zuschüsse durchaus als echte Zuschüsse nicht umsatzsteuerbar sein können, auch wenn der Zuschussempfänger steuerpflichtige Ausgangsleistungen erbringt. Positiv hervorzuheben ist auch die Bestätigung, dass echte Zuschüsse nicht zwingend die Vorsteuerquote negativ beeinflussen. Dies schafft eine gewisse Rechtssicherheit und die hergeleiteten Grundsätze können zur Prüfung in der Praxis herangezogen werden. Das Urteil gewinnt gleichermaßen Bedeutung für Zuschüsse an gemeinnützige Organisationen.
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