Das Finanzgericht (FG) Hamburg hat mit Urteil vom 05.12.2024 (Az. 5 K 125/23) entschieden, dass Verluste in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb einer gemeinnützigen Körperschaft dann unschädlich für die Gemeinnützigkeit sind, wenn sie durch Gewinne aus anderen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben ausgeglichen werden. Die Entscheidung bestätigt die Auffassung der Finanzverwaltung gemäß Nr. 17 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 64 AO.
Nach § 64 Abs. 2 Satz 1 AO gelten mehrere steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe einer Körperschaft, die keine Zweckbetriebe im Sinne der §§ 65 bis 68 AO sind, als ein einheitlicher wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Diese Regelung betrifft die ertragsteuerliche Behandlung der wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe, insbesondere im Hinblick auf die Steuerpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG. Zwar enthält die Vorschrift keine unmittelbare Aussage zur Beurteilung der Gemeinnützigkeit, sie bildet jedoch den Anknüpfungspunkt für die in Literatur und Verwaltungspraxis geführte Diskussion, ob Verluste einzelner wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe die Selbstlosigkeit (§ 55 AO) und damit die steuerliche Gemeinnützigkeit gefährden können. Streit besteht insbesondere darüber, ob auch bei strukturell verlustbringenden Tätigkeiten der Ausschließlichkeitsgrundsatz (§ 56 AO) verletzt ist, wenn keine Maßnahmen zur Konzeptanpassung erfolgen. Vor diesem Hintergrund hatte das FG Hamburg im Streitfall zu beurteilen, ob die Verluste aus einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb durch die Gewinne eines anderen kompensiert werden konnten, ohne dass dies die Gemeinnützigkeit des Vereins in Frage stellte.
Ein gemeinnütziger Sportverein unterhielt mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe. Während er aus der Vermietung einer Tennishalle Gewinne erzielte, führte die nicht begünstigte Vermietung einer Schwimmhalle zu Verlusten. Diese Verluste wurden jedoch durch die Gewinne aus dem Tennisbetrieb aufgefangen. Die Finanzverwaltung erkannte den Verlustausgleich an und beurteilte ihn als unschädlich für die Gemeinnützigkeit des Vereins. Im Rahmen einer Außenprüfung kam es zum Streit über andere Themen (vgl. unsere Artikel zur Aufteilung von Kosten bei Leerstand sowie zu den Jugendreisen als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, sodass sich der Verein gegen die diesbezüglich geänderten Steuerbescheide mit einer Klage an das FG Hamburg wandte, bei der dieses auch zu den Verlustverrechnungen Stellung nahm.
Das FG Hamburg schloss sich der Auffassung der Finanzverwaltung an und stellte klar, dass bei mehreren wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben einer Körperschaft nicht isoliert auf das Ergebnis einzelner Betriebe abzustellen ist. Entscheidend sei vielmehr das Gesamtergebnis aller steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe im Sinne des § 64 Abs. 2 AO. Da der Verein in der Gesamtschau keine Dauerverluste erwirtschaftete, liege kein Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO vor. Das Gericht widersprach damit der teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung, wonach auch vorübergehende oder konzeptionsbedingte Verluste gemeinnützigkeitsschädlich seien, wenn sie nicht durch eine Änderung der Geschäftsstrategie aufgefangen werden. § 64 Abs. 2 AO sei als spezielle Ausnahmevorschrift zu verstehen, die einer solchen engen Auslegung des Ausschließlichkeitsgebots entgegenstehe.
Die Entscheidung stärkt die Praxis gemeinnütziger Körperschaften, wirtschaftliche Geschäftsbetriebe differenziert und flexibel zu führen. Sie bietet Klarheit hinsichtlich der Behandlung einzelner Verluste und stellt sicher, dass diese nicht automatisch zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen. Insbesondere Einrichtungen mit saisonalen Schwankungen oder wechselnden Auslastungen können sich auf das Urteil berufen. Falls Sie ähnliche Fragestellungen oder weitere Informationen zur Anwendung des § 64 AO benötigen, wenden Sie sich gerne an uns.
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