FG Hamburg zum Zweiten: Jugendreise eines Vereins als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb eingestuft

27.03.2025
Gemeinnützigkeit
4 Minuten

Einleitung

Das Finanzgericht Hamburg (FG) hat mit Urteil vom 05.12.2024 (Az. 5 K 125/23) entschieden, dass eine von einem gemeinnützigen Verein organisierte Jugendreise nicht als steuerlich begünstigter Zweckbetrieb, sondern als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb einzustufen ist. Der Verein argumentierte, dass die Reise im Rahmen der gemeinnützigen Jugendarbeit stattfand und somit steuerlich begünstigt sei. Das Gericht folgte dieser Auffassung jedoch nicht und stellte fest, dass die Reise in direkter Konkurrenz zu kommerziellen Anbietern stand und damit unter § 65 AO als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu werten sei.

Hintergrund

Eine gemeinnützige Organisation unterliegt grundsätzlich nur mit ihrem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, soweit dieser keinen Zweckbetrieb darstellt. Ein solcher liegt nach der sogenannten Generalklausel vor, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb „in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen“ (§ 65 Nr. 1 AO), „die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können“ (§ 65 Nr. 2 AO) und „der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist“ (§ 65 Nr. 3 AO). Alle drei Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

Das Finanzgericht Hamburg hatte in diesem Fall zu prüfen, ob die vom Verein angebotene Jugendreise als Zweckbetrieb i. S. d. § 65 AO anzusehen ist.

Sachverhalt

Der Kläger, ein gemeinnütziger Sportverein, organisierte im Jahr 2014 eine Jugendreise ins Ausland. Die Reise war Teil eines seit vielen Jahren bestehenden Austauschprogramms mit einer ausländischen Partnerorganisation. Im Rahmen dieser Reise wurden die teilnehmenden Jugendlichen in Gastfamilien untergebracht und nahmen an sportlichen sowie kulturellen Veranstaltungen teil. Neben den Reisekosten wurden von den Teilnehmenden auch Gebühren für die Organisation und Durchführung der Reise erhoben.

Der Verein ordnete die Jugendreise als steuerlich begünstigten Zweckbetrieb im Sinne des § 65 AO ein. Er argumentierte, dass die Reise der Förderung der Jugendhilfe und der internationalen Verständigung diene und damit unmittelbar zur Verwirklichung des gemeinnützigen Satzungszwecks beitrage. Zudem sei die Veranstaltung nicht mit Gewinnerzielungsabsicht durchgeführt worden.

Das Finanzamt war hingegen der Auffassung, dass die Reise als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb einzuordnen sei. Es verwies darauf, dass der Verein mit kommerziellen Reiseanbietern in Konkurrenz stehe, da die Teilnehmer für die Reise einen marktüblichen Preis entrichteten. Zudem sei der Freizeitcharakter der Reise zu dominant, um eine unmittelbare Förderung des gemeinnützigen Satzungszwecks anzunehmen.

Nach einer Betriebsprüfung änderte das Finanzamt die Steuerbescheide und unterwarf die Einkünfte aus der Reise der Körperschaft- und Gewerbesteuer. Der Verein legte Einspruch gegen die geänderten Bescheide ein, der jedoch zurückgewiesen wurde. Daraufhin erhob er Klage vor dem Finanzgericht Hamburg.

Entscheidung des Gerichts

Das Finanzgericht Hamburg wies die Klage des Vereins ab und bestätigte die Auffassung des Finanzamts, dass die Jugendreise einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstellt.

Zunächst stellte das Gericht fest, dass die Jugendreise grundsätzlich dazu geeignet sei, den steuerbegünstigten Satzungszweck des Vereins zu verwirklichen, und bejahte damit die erste Voraussetzung des § 65 Nr. 1 AO. Der Verein habe die Reise im Rahmen seiner Jugendarbeit organisiert und damit einen anerkannten gemeinnützigen Zweck verfolgt. Es sei nicht erforderlich, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb eine „unmittelbare“ Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke bewirke; ausreichend sei, dass er der Verwirklichung dieser Zwecke diene.

Allerdings wurde nach Auffassung des Senats die zweite Voraussetzung des § 65 Nr. 2 AO (Unentbehrlichkeit) nicht erfüllt. Danach muss die wirtschaftliche Betätigung zur Verwirklichung des steuerbegünstigten Zwecks unerlässlich sein, d. h., es darf keine andere gleichwertige Möglichkeit geben, diesen Zweck zu verwirklichen. Zunächst grenzte das Gericht die streitgegenständliche Jugendreise von einem sogenannten Mittelbeschaffungsbetrieb ab. Ein solcher liegt vor, wenn durch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb vorrangig Mittel für die ideellen Zwecke der Körperschaft erwirtschaftet werden. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, da sich Einnahmen und Ausgaben im Rahmen der Reise weitgehend die Waage hielten. Darüber hinaus stellte das Gericht klar, dass selbst dann, wenn eine Verbindung zur Satzungszweckerfüllung besteht, zusätzlich zu prüfen ist, ob die konkrete Tätigkeit in besonderer Weise zur Förderung des Gemeinwohls geeignet ist. Dabei sei entscheidend, ob die angebotene Leistung gemeinwohlwirksam erbracht wird – und zwar in einer Weise, die qualitativ über das hinausgeht, was auch von nicht steuerbegünstigten Anbietern am Markt geleistet werden könnte. Im konkreten Fall vermochte das Gericht einen solchen Mehrwert nicht zu erkennen. Es fehle an Anhaltspunkten dafür, dass der Verein im Rahmen seiner Jugendreise eine gemeinwohlbezogene Wirkung erzielt habe, die über das hinausgehe, was auch privatwirtschaftlich organisierte Reiseveranstalter leisten können. Im Ergebnis verneinte das Gericht somit die Unentbehrlichkeit der Reise für die Verwirklichung des steuerbegünstigten Zwecks „Jugendarbeit“.

Auch die dritte Voraussetzung (§ 65 Nr. 3 AO – Unvermeidbarkeit des Wettbewerbs) war nicht gegeben. Hier stellte das Gericht zunächst fest, dass der Verein mit der Organisation der Reise in direkten Wettbewerb zu kommerziellen Anbietern trat. Die Reise umfasste Unterkunft, Verpflegung und ein festgelegtes Freizeit- und Sportprogramm, das nach Art und Umfang mit marktüblichen Angeboten privater Anbieter vergleichbar war. Die Wettbewerbsbeeinträchtigung war nach Auffassung des Gerichts allerdings nicht unvermeidbar. Das Angebot des Vereins war generell geeignet, andere Anbieter vom Markt zu verdrängen, ohne das Güterangebot insgesamt zu erweitern. Es war zudem nicht ersichtlich, dass sich das Angebot ausschließlich an Jugendliche richtete, die vergleichbare entgeltliche Leistungen nicht in Anspruch genommen hätten. Damit lag keine besondere Zielgruppenbindung vor.

Ausblick

Die Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg zur steuerlichen Einordnung von Jugendreisen als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb hat über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung für gemeinnützige Organisationen, die vergleichbare Angebote der internationalen Jugendbegegnung durchführen.

Das Gericht hat klargestellt, dass derartige Reisen nur dann als Zweckbetrieb im Sinne der §§ 65 ff. AO anerkannt werden können, wenn ihr erzieherischer Charakter klar im Vordergrund steht und dieser auch hinreichend dokumentiert ist. Der bloße Hinweis auf Kulturaustausch oder die Unterbringung bei Gastfamilien reicht hierfür nicht aus, sofern der Freizeitanteil überwiegt oder keine substantiierten Nachweise für pädagogische Zielsetzungen erbracht werden.

Die Entscheidung verdeutlicht, dass gemeinnützige Träger bei der Planung und Durchführung von Bildungs- oder Begegnungsreisen für Jugendliche frühzeitig sicherstellen sollten, dass die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs nachvollziehbar erfüllt sind, etwa durch pädagogische Konzepte, strukturierte Tagesprogramme und begleitende Maßnahmen zur interkulturellen Bildung. Nur so lässt sich das Risiko vermeiden, dass Gewinne aus diesen Maßnahmen steuerlich als Einkünfte im steuerpflichtigen wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb behandelt werden.

Falls Sie ähnliche Fragestellungen haben oder weitere Informationen benötigen, wenden Sie sich gerne an die Expertinnen und Experten von SCHOMERUS.

Bildnachweis:xavierarnau/Stock-Fotografie-ID:1417565154

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