BFH zur Gemeinnützigkeit bei Nennung im Verfassungsschutzbericht

18.12.2024
Gemeinnützigkeit
3 Minuten

Einleitung 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 05.09.2024 (Az.: V R 36/21), veröffentlicht am 28.11.2024, entschieden, dass die Vermutungsregel des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO nur dann zur Versagung der Gemeinnützigkeit führt, wenn die betroffene Körperschaft als selbständiges Steuersubjekt ausdrücklich in einem Verfassungsschutzbericht als extremistisch bezeichnet wird. Eine bloße Erwähnung oder Zurechnung über andere Organisationen genügt nicht.  

Hintergrund 

Die Gemeinnützigkeit setzt voraus, dass eine Körperschaft nach ihrer Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt. Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 AO ist die Steuervergünstigung ausgeschlossen, wenn eine Körperschaft Bestrebungen im Sinne von § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) fördert, insbesondere wenn sie verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Die Vermutungsregel des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO erleichtert der Finanzverwaltung die Prüfung der Gemeinnützigkeit. Eine Körperschaft, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt wird, gilt widerlegbar als nicht gemeinnützig.  

Sachverhalt 

Der Kläger, ein eingetragener Verein, war in den Jahren 2009 bis 2015 als Landesorganisation Teil einer übergeordneten Bundesorganisation. Nach seiner Satzung verfolgte der Kläger steuerbegünstigte gemeinnützige Zwecke gemäß § 52 AO. Die Bundesorganisation wurde in mehreren Verfassungsschutzberichten der Jahre 2009 bis 2015 namentlich und unter Verwendung einer Abkürzung erwähnt. Dabei bezogen sich die Berichte vorrangig auf die Bundesorganisation, allerdings wurden auch Landesorganisationen, zu denen der Kläger gehörte, erwähnt.  

Die Erwähnung des Klägers erfolgte in Verbindung mit der Aussage, er sei durch eine andere, ebenfalls aufgeführte Organisation beeinflusst. Eine ausdrückliche Bezeichnung des Klägers selbst als „extremistisch“ fehlte. Die Bundesorganisation wurde in den Berichten hingegen umfassender beschrieben und von den Behörden als extremistisch eingestuft. Das Finanzgericht München (FG) urteilte in erster Instanz, dass die Gemeinnützigkeit des Klägers wegen der Nennung der Bundesorganisation im Verfassungsschutzbericht abzuerkennen sei. 

Entscheidung des Gerichts 

Der Bundesfinanzhof hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Er stellte klar, dass die Vermutungsregel des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO nur dann zur Anwendung komme, wenn die betroffene Körperschaft als eigenständiges Steuersubjekt ausdrücklich in einem Verfassungsschutzbericht als „extremistisch“ bezeichnet werde. Eine bloße Erwähnung oder der Hinweis auf eine mögliche Beeinflussung durch andere Organisationen genüge hierfür nicht. Das FG hätte versäumt, eindeutig festzustellen, ob der Kläger selbst als extremistische Organisation eingestuft wurde oder ob sich die Berichterstattung lediglich auf die Bundesorganisation bezog. Zwar enthielten die Verfassungsschutzberichte Hinweise auf die Bundesorganisation und deren Einfluss auf Landesorganisationen, jedoch könne daraus nicht abgeleitet werden, dass der Kläger unmittelbar betroffen sei. 

Darüber hinaus betonte der BFH, dass die Verfassungsschutzberichte nur dann als Grundlage für die Vermutungsregel dienen können, wenn sie unmissverständlich auf eine Verfolgung verfassungsfeindlicher Bestrebungen durch die betroffene Körperschaft selbst schließen ließen. Ein bloßer Verdacht oder die Zurechnung von Aktivitäten Dritter reicht hierfür nicht aus. Das FG hätte daher genauer prüfen müssen, ob die im Bericht genannten Tatsachen dem Kläger als eigenständiges Steuersubjekt zurechenbar waren oder ob sie lediglich die Bundesorganisation betrafen. 

Soweit das FG ergänzend angenommen hatte, die Steuervergünstigung könne auch nach § 51 Abs. 3 Satz 1 AO versagt werden, fehlten hierfür ausreichende Feststellungen. Eine pauschale Bezugnahme auf die Verfassungsschutzberichte und die daraus abgeleiteten Annahmen reiche nach Auffassung des BFH nicht aus, um den Nachweis zu erbringen, dass der Kläger verfassungsfeindliche Bestrebungen tatsächlich fördert. 

Ausblick 

Der BFH stellt mit seiner Entscheidung klar, dass die Anwendung der Vermutungsregel des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO strengen Voraussetzungen unterliegt. Eine bloße Erwähnung im Verfassungsschutzbericht oder eine indirekte Zurechnung zu anderen Organisationen reicht nicht aus, um die Gemeinnützigkeit einer Körperschaft zu versagen. Die Finanzgerichte sind verpflichtet, sorgfältig zu prüfen, ob die betroffene Körperschaft als selbständiges Steuersubjekt eindeutig als extremistisch bezeichnet wurde. 

Im weiteren Verfahren muss das FG nun konkret ermitteln, ob der Kläger in den Verfassungsschutzberichten ausdrücklich als extremistische Organisation geführt wurde oder ob die Berichterstattung primär die Bundesorganisation betraf. 

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Bildnachweis:PetrStransky/Stock-Fotografie-ID:827846698 & Bundesamt für Verfassungsschutz

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