Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 29.08.2024 (Az. V R 14/24, V R 20/22, V R 40/19), veröffentlich am 05.12.2024, entschieden, dass die Steuerschuldnerschaft des Organträgers nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG unionsrechtskonform ist und dass entgeltliche Leistungen einer Organgesellschaft an ihren Organträger nicht steuerbar sind. Zudem stellte der BFH klar, dass bei Leistungen an den hoheitlichen Bereich des Organträgers keine unentgeltliche Wertabgabe gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG vorliegt.
Die Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bewirkt, dass eine rechtlich selbständige juristische Person, die finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist, umsatzsteuerlich als unselbständig gilt. Für umsatzsteuerliche Zwecke bilden Organträger und Organgesellschaft sodann eine Einheit, mit der Folge, dass sämtliche entgeltliche Leistungen zwischen den Gesellschaften als Innenumsätze nicht der Umsatzbesteuerung unterliegen.
Weiterhin regelt § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG die Entnahmebesteuerung für unentgeltliche Wertabgaben. Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass bei einer Verwendung von Unternehmensleistungen für unternehmensfremde Zwecke eine umsatzsteuerliche Gleichstellung mit entgeltlichen Leistungen erfolgt.
Die Klägerin, eine Stiftung öffentlichen Rechts, war Trägerin einer Universität mit einem Bereich Universitätsmedizin. Im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit betrieb sie mehrere Betriebe gewerblicher Art und erbrachte Dienstleistungen gegen Entgelt. Der Betrieb des Universitätsklinikums war dabei umsatzsteuerfrei. Zugleich nahm die Klägerin als juristische Person des öffentlichen Rechts hoheitliche Aufgaben wahr.
Außerdem war die Klägerin Gesellschafterin und umsatzsteuerliche Organträgerin einer GmbH (U-GmbH), die ihr gegenüber verschiedene Dienstleistungen, darunter Reinigungsleistungen, erbrachte. Diese Leistungen wurden gegen Entgelt abgerechnet, wobei ein Teil der zu reinigenden Flächen dem hoheitlichen Bereich der Klägerin zuzuordnen war.
Nach einer Außenprüfung ging das Finanzamt (FA) davon aus, dass die Klägerin ein einheitliches Unternehmen im Sinne des UStG sei und die von der U-GmbH erbrachten Leistungen innerhalb der Organschaft nichtsteuerbar seien. Allerdings betrachtete das FA die Reinigungsleistungen für den hoheitlichen Bereich als unternehmensfremde Nutzung und setzte eine unentgeltliche Wertabgabe gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG an. Diese führte zu einer Erhöhung der Umsatzsteuerfestsetzung.
Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) gab der Klage der Stiftung statt und entschied, dass die Leistungen der U-GmbH innerhalb der Organschaft nichtsteuerbar seien und eine unentgeltliche Wertabgabe nicht vorliege. Hiergegen legte das FA Revision beim BFH ein.
Im Revisionsverfahren setzte der BFH das Verfahren zunächst aus und legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, ob die nationale Regelung zur Organschaft unionsrechtskonform sei und ob die Entnahmebesteuerung auf Leistungen an den hoheitlichen Bereich anzuwenden sei. Der EuGH entschied, dass die deutsche Regelung zur Organschaft nicht gegen das Unionsrecht verstößt und dass Leistungen innerhalb der Organschaft nicht steuerbar sind, auch wenn sie für hoheitliche Zwecke verwendet werden.
Der BFH wies die Revision des Finanzamts zurück und bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts. Zunächst stellte der BFH fest, dass eine Organschaft zwischen der Klägerin als Organträgerin und der U-GmbH als Organgesellschaft bestand. Aufgrund dieser steuerlichen Verbindung wurden sämtliche Leistungen der U-GmbH an die Klägerin als Innenumsätze innerhalb eines einheitlichen Unternehmens betrachtet. Entgeltliche Leistungen einer Organgesellschaft an ihren Organträger seien grundsätzlich nicht steuerbar, auch dann nicht, wenn der Organträger die empfangenen Leistungen für seine hoheitlichen und damit für nicht umsatzsteuerbare Aufgaben verwendet. Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfen gegen Entgelt erbrachte Leistungen innerhalb einer Mehrwertsteuergruppe nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, selbst wenn der Empfänger dieser Leistungen diese für seinen hoheitlichen oder nichtunternehmerischen Bereich verwendet oder einer der Beteiligten sonstigen Vorsteuerabzugsbeschränkungen unterliegt.
Das Finanzamt argumentierte, dass die Reinigungsleistungen der U-GmbH für den hoheitlichen Bereich der Klägerin eine unternehmensfremde Nutzung darstellten und somit die Entnahmebesteuerung zur Anwendung käme. Diese Auffassung wurde vom BFH verworfen, da die Entnahmebesteuerung nur bei unentgeltlichen Leistungen an den hoheitlichen Bereich erfolgen kann. Vorliegend erfolgten die Leistungen aber eben nicht unentgeltlich, sondern gegen Entgelt. Auch wenn der Organträger die empfangene Leistung für hoheitliche Zwecke verwendete, stellt der BFH klar, dass dies im vorliegenden Fall nicht zu einer umsatzsteuerlich relevanten Entnahme führt.
Folglich wies der BFH die Revision des Finanzamts als unbegründet zurück.
Die Entscheidung des BFH hat auch weitreichende Bedeutung für die umsatzsteuerliche Behandlung von Organschaften im gemeinnützigen Sektor. Schließlich ist der ideelle, nichtsteuerbare Bereich der Körperschaft des privaten Rechts umsatzsteuerlich mit dem hoheitlichen Bereich einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gleichzustellen. Mit der Bestätigung der unionsrechtskonformen Ausgestaltung der deutschen Organschaftsregelungen schafft der BFH eine klare Rechtslage und stärkt die steuerliche Einheit zwischen Organträger und Organgesellschaft. Insbesondere stellt das Urteil klar, dass Innenumsätze innerhalb der Organschaft nicht steuerbar sind, unabhängig davon, ob die Leistungen für wirtschaftliche oder hoheitliche bzw. ideelle Zwecke des Organträgers verwendet werden.
Sollten Sie weitere Fragen zur praktischen Umsetzung oder zur steuerlichen Behandlung von Organschaften haben, stehen Ihnen unsere Experten gerne beratend zur Seite.
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