Nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG sind Umsätze aus Vorträgen, Kursen und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art von der Umsatzsteuer befreit, wenn diese von bestimmten Einrichtungen, darunter auch gemeinnützigen Körperschaften, erbracht werden. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), wonach Steuerbefreiungen für Schul- und Hochschulunterricht sowie für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen vorgesehen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist unter Schul- und Hochschulunterricht ein integriertes System der Wissensvermittlung über ein breites und vielfältiges Spektrum von Lehrinhalten hinweg zu verstehen.
Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein, der sich der Förderung des Luftsports widmet. In den Streitjahren 2016 und 2017 bot er unter Verwendung eines vereinseigenen Flugzeugs Ausbildungslehrgänge zur Erlangung der Privatpilotenlizenz an. Der Verein verfügte über eine entsprechende Ausbildungserlaubnis, die ihm vom zuständigen Luftsportverband erteilt worden war. Die Teilnahme an den Lehrgängen war entgeltpflichtig. Ab Oktober 2016 stellte der Verein den Flugschülern getrennte Entgelte für die Nutzung des Flugzeugs („Flugzeitgebühr Schüler“) mit Umsatzsteuer sowie für die Flugausbildung („Aufwandsentschädigung Ausbildung“) ohne Umsatzsteuerausweis in Rechnung.
In den Umsatzsteuererklärungen behandelte der Verein die Einnahmen aus der Flugzeugüberlassung als dem ermäßigten Steuersatz unterliegend und die Einnahmen aus dem Flugunterricht als steuerfrei. Das Finanzamt nahm hingegen eine einheitliche steuerfreie Leistung an und korrigierte entsprechend den Vorsteuerabzug, insbesondere hinsichtlich der Anschaffungskosten des Flugzeugs. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht Baden-Württemberg ab. Gegen diese Entscheidung ging der Kläger in Revision beim BFH.
Der BFH gab der Revision des Klägers statt, hob das Urteil des Finanzgerichts auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück. Zwar bestätigte der BFH die Auffassung der Vorinstanz, dass die Überlassung des Flugzeugs in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Flugunterricht stand und daher eine einheitliche Leistung darstellt. Diese einheitliche Leistung sei jedoch – entgegen der Ansicht des Finanzamts und des Finanzgerichts – nicht nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG steuerfrei, da sie nicht als Schul- oder Hochschulunterricht im Sinne der Norm anzusehen sei.
Zur Begründung verwies der BFH auf die Rechtsprechung des EuGH, wonach der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts ein integriertes System der Wissensvermittlung über ein breites und vielfältiges Spektrum an Lehrinhalten voraussetzt. Im Streitfall sei die Ausbildung zur Privatpilotenlizenz jedoch inhaltlich zu eng gefasst und als spezialisierter, punktuell erteilter Unterricht nicht auf eine umfassende allgemeine oder berufliche Bildung ausgerichtet. Es fehle an einem systematisch aufgebauten Lehrplan sowie an einem Bezug zu einer beruflichen Tätigkeit, da der Erwerb der Privatpilotenlizenz vorrangig privaten Zwecken diene. Es fehle somit insgesamt an den Voraussetzungen für eine steuerfreie Bildungsmaßnahme. Folglich unterliegt der Flugunterricht in Gänze der Umsatzsteuer. Dies hat zur Konsequenz, dass die Leistungen des Vereins nicht dem Vorsteuerausschluss nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG unterliegen und daher der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb und dem Betrieb des Flugzeugs zulässig ist. Das Finanzgericht muss nun noch über die Höhe der vom Verein begehrten abziehbaren Vorsteuerbeträge entscheiden, da hierzu die tatsächlichen Feststellungen fehlten.
Die Entscheidung des BFH schafft Klarheit in der umsatzsteuerlichen Behandlung spezialisierter Ausbildungsleistungen, die außerhalb eines strukturierten und breit angelegten Bildungssystems erbracht werden. Das Urteil überrascht in Anbetracht der bisherigen Rechtsprechung des EuGH und BFH insbesondere zu Fahrschulen nicht. Falls Sie ähnliche Fragestellungen haben oder weitere Informationen benötigen, wenden Sie sich gerne an die Expertinnen und Experten von SCHOMERUS.
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