Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit Schreiben vom 29.04.2024 (Gz. III C 3 – S 7117-j/21/10002:004) Stellung zur umsatzsteuerlichen Einordnung von Umsätzen aus Online-Veranstaltungsdienstleistungen und weiteren Online-Dienstleistungsangeboten bezogen.
Differenziert wird dabei zwischen Live-Übertragungen und Inhalten, die digital zum Abruf via Streaming oder Download stehen. Zu klären sei hier insbesondere, wo in solchen Fällen der Leistungsort liegt und inwieweit Steuerbefreiungen und Steuerermäßigungen für Eintrittsberechtigungen (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 a UStG) anwendbar seien.
Bei der Bereitstellung von vorproduzierten Inhalten wie Aufzeichnungen einer Veranstaltung handelt es sich um eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung im Sinne des § 3a Absatz 5 Satz 2 Nr. 3 UStG. Die Bereitstellung der Aufzeichnung, die Gewährung des Zugangs hierzu und die Möglichkeit des Abrufs per Download bzw. per Streaming erfolgt im Wesentlichen automatisiert über das Internet und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung. Der Ort dieser auf elektronischem Wege erbrachten sonstigen Leistung ist der (Wohn-)Sitz des Leistungsempfängers. Dies gilt sowohl für Nichtunternehmer (Ortsbestimmung nach § 3a Abs. 5 S. 1 UStG) als auch Unternehmer (Ortsbestimmung nach § 3a Abs. 2 UStG) als Leistungsempfänger.
Für solche Leistungen kommt nach Auffassung des BMF weder die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 UStG in Betracht, noch ist die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 a UStG zulässig.
Bei einem Live-Streaming einer Veranstaltung oder einem Webinar handelt es sich nicht um eine auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistung, da die Veranstaltung als maßgebliche Leistung mit mehr als nur einer minimalen menschlichen Beteiligung erbracht wird und ihrer Art nach nicht im Wesentlichen automatisiert erfolgt. Es liegt eine Veranstaltungsleistung im Sinne des § 3a Abs. 3 Nr. 3 a UStG vor. Der Ort dieser Leistung richtet sich bei Nichtunternehmern als Leistungsempfängern grundsätzlich nach dem Ort der Leistungserbringung. Als Ort der Leistungserbringung gilt in diesen Fällen zukünftig nach Auffassung der Finanzverwaltung der Wohnsitz, gewöhnliche Aufenthalt oder Sitz des Leistungsempfängers. Bei Leistung an Unternehmer ist der Ort der Leistung der Sitz des Leistungsempfängers (§ 3a Abs. 2 UStG).
Regelmäßig kann für solche Leistungen eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a und b, Nr. 21 und Nr. 22 UStG anwendbar sein, sofern die Leistungen durch eine entsprechende Einrichtung erbracht werden. Online-Sprechstunden von Ärzten können unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei sein.
Werden die angebotenen Livestreams nach der Veranstaltung zum Download angeboten, so entscheidet nach Ansicht des BMF die Entgeltlichkeit des erweiterten Downloads darüber, ob eine getrennte oder einheitliche Leistung vorliegt. Eine Aufteilung des Entgelts ist dann vorzunehmen, wenn für den Download eine extra Gebühr erhoben wird. Sofern kein gesondertes Entgelt erhoben wird, liegt nach Auffassung des BMF eine Leistung eigener Art vor, die dem allgemeinen Steuersatz unterliegt. Eine Steuerbefreiung kommt nicht in Betracht.
Das BMF-Schreiben nimmt keinen Bezug zur Steuerermäßigung für Leistungen im Zweckbetrieb gemeinnütziger Einrichtungen. Sofern die Zweckbetriebsvoraussetzungen erfüllt sind, kommt weiterhin eine Ermäßigung der Umsatzsteuer nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a UStG in Betracht.
Dieses BMF-Schreiben erleichtert die umsatzsteuerliche Einordnung für Anbieter von Webinaren und anderen Onlineveranstaltungen. Die entsprechenden Abschnitte des Umsatzsteueranwendungserlasses wurden angepasst, sodass die Finanzbehörden der Länder hier künftig einheitlich handeln müssen.
Das kostenlose Zurverfügungstellen der Aufnahme eines Seminars ist inzwischen fast schon Standard im Bildungsbereich. Zukünftig sollte dies allerding nur noch gegen gesondertes Entgelt erfolgen, da andernfalls die Steuerbefreiung für das gesamte Onlineseminar versagt wird. Hier sind Bildungseinrichtungen angehalten, ihr Onlineangebot entsprechend zu überarbeiten.
Für Leistungen, die vor dem 1. Juli 2024 bewirkt werden, gilt eine Übergangsfrist, während der nicht beanstandet wird, falls die Beteiligten im Hinblick auf den Leistungsort, die Umsatzsteuerbefreiungen bzw. den ermäßigten Umsatzsteuersatz übereinstimmend von anderen Grundsätzen ausgegangen sind.
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