BVerwG beschließt aufschiebende Wirkung im Fall “Compact”-Magazin

30.08.2024
Gemeinnützigkeit
4 Minuten

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Beschluss vom 14.08.2024 (Az. 6 VR 1.24) die aufschiebende Wirkung der Anfechtung des Vereinsverbots von “Compact”-Organisationen wieder hergestellt. Dies hat zur Folge, dass das Magazin bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren veröffentlich werden darf.

Sachverhalt

Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hatte den Rechtsträgern hinter “Compact” mit Wirkung zum 16.07.2024 untersagt, tätig zu sein, da das Magazin laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) als ein „zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene“ betrachtet wird. Hierfür wurde unter Berufung auf § 3 Abs. 1 S. 1 Var. 2, § 17 Nr. 1 Var. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Var. 2 GG ein Vereinsverbot mit sofortiger Vollziehung gegenüber sämtlichen mit dem Compact-Magazin und -online-TV in Verbindung stehenden Organisationen erlassen. Die Vereinigungen nähmen nach Ansicht des Ministeriums bei der Verwirklichung von verfassungsfeindlichen Zielen eine aggressiv-kämpferische Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung ein und seien daher unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zu verbieten. Die Rechtsträger des Compact-Magazins richten sich in der Hauptsache gegen das Vereinsverbot und beantragten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.

Entscheidung des Gerichts

Das BVerwG hat nun im Rahmen des Eilantrags entschieden, dass die aufschiebende Wirkung der Anfechtung des Verbotsbescheids bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren wiederhergestellt werden müsse. Dabei sei zwar zunächst festzustellen, dass das Vereinsgesetz wegen der ausdrücklichen Regelung des § 17 Nr. 1 VereinsG auch auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung als Wirtschaftsvereinigungen Anwendung findet. Allerdings ermögliche der gegenwärtige Sach- und Streitstand keine verlässliche Prognose über den Erfolg des Hauptsachverfahrens. Es bestünden derzeit keine ausreichenden Erkenntnisse, dass der sehr eng auszulegende Verbotsgrund des Sichrichtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung (§ 3 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG) erfüllt sei.

Zwar ließen diverse Publikationen der “Compact”-Organisationen die Vermutung zu, dass diese eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen einnehmen, jedoch bestünden Zweifel daran, ob die verfassungsfeindlichen und gegen die Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG verstoßenden Beiträge in der Gesamtschau der publizierten Beiträge derart prägend seien, dass ein Vereinsverbot unter Abwägung mit der Meinungs- und Pressefreiheit verhältnismäßig sei.

In einer Vielzahl der Publikationen von "Compact" werde nach Ansicht des beschließenden Senats ein völkisch-nationalistisches Gesellschaftsbild propagiert, das sich auf eine ethnisch definierte "Volksgemeinschaft" stütze. Dies zeige sich in der Abgrenzung zwischen "Bio-Deutschen" und sogenannten "Pass-Deutschen", denen die Zugehörigkeit zum deutschen Volk abgesprochen werde. Solch eine ethnische Bewertung widerspräche dem Grundgesetz, das die Staatsangehörigkeit als maßgebliches Kriterium für die Zugehörigkeit zum deutschen Volk betrachte.

Darüber hinaus werde in über “Compact” publizierten Videobeiträgen des Rechtsextremen Martin Sellner deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund ein rechtlich minderwertiger Status zugeschrieben. Seine "Politik der Deislamisierung" sehe vor, fremde Kulturen, Speisen, Feiertage, Sprachen und Symbole im öffentlichen Raum zu verbannen und den "Fremden" politische Betätigung zu verwehren. Eine “Remigration” dieser Gruppen sei anzustreben. Diese publizierte Haltung sei eng mit der Vorstellung einer ethnisch definierten Gemeinschaft verbunden und zeuge nach Ansicht des Gerichts von einer Missachtung der Menschenwürde.

Es würden Ausländern und Migranten außerdem pauschal negative Eigenschaften und eine Neigung zur Kriminalität zugeschrieben. Die Formulierungen in "Compact", die von einer "Massenzuwanderung" sprechen, die das Land in eine "Vergewaltigungszone" verwandeln würden, seien nicht nur übertrieben, sondern würden auch direkt darauf abzielen, Migranten als ethnisch ausgegrenzte Gruppe herabzuwürdigen.

Ungeachtet dieser Feststellungen müssten diese einzelnen Beiträge und deren daraus resultierender Verbotsgrund im Sinne des Art. 9 Abs. 2 GG mit der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) der “Compact”-Gruppe als Medienorganisationen abgewogen werden. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass der Art. 5 Abs. 1 GG überspitzte, polemische und verletzende Äußerungen in seinen Schutzbereich einbeziehe und im Rahmen der Verhältnismäßigkeit eines Vereinsverbots nach Art. 9 Abs. 2 GG die Gesamtzahl der Aktivitäten einer Vereinigung abzuwägen seien. Im Rahmen dieser Bewertung sei vorliegend zu erkennen, dass “Compact” neben den verfassungsfeindlichen Publikationen auch allgemeingesellschaftliche Themen, wie Buchbesprechungen, Filmkritiken und andere – verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende – Themen behandelt und publiziert. Diese unkritischen Publikationen seien in ungerechtfertigter Weise von dem Vereinsverbot betroffen und daher in die Gesamtabwägung mit einzubeziehen.

Nach Ansicht des BVerwG lägen nach derzeitigem Verfahrensstand noch keine gesicherten Erkenntnisse vor, dass die Gesamtbewertung der “Compact”-Publikationen ein Vereinsverbot rechtfertigen würden. Es obliege dem BMI nun im weiteren Verlauf des Verfahrens, bis zur Entscheidung in der Hauptsache, weitere Ermittlungen durchzuführen, die eine verfassungsfeindliche Prägung der “Compact”-Publikationen nachweisen und somit ein zum damaligen Zeitpunkt ausgesprochenes Vereinsverbot rechtfertigen können.

Vor diesem Hintergrund beschließt der Senat die vorläufige Widerherstellung der aufschiebenden Wirkung. Die Verhandlung im Hauptsacheverfahren soll am 12. und 13.02.2025 geführt werden.

Ausblick

Das Urteil des BVerwG sorgt für Kritik. So werden ausführlich die verfassungsfeindlichen Inhalte von “Compact”-Publikationen untersucht und deren Verstoß gegen die Menschenwürde bestätigt. Auf der anderen Seite führen einzelne allgemeingesellschaftliche Publikationen dazu, dass ein aufrechterhalten des Vereinsverbots ungerechtfertigt erscheint. Sollte diese Ansicht im Hauptsacheverfahren bestätigt und fortgeführt werden, wird es ein leichtes für verfassungsfeindliche Medienunternehmen sein, durch gezielte Mischung von Artikel, sich eines Vereinsverbots zu entziehen. Dies erscheint höchst zweifelhaft und einer wehrhaften Demokratie unwürdig.

Bildnachweis:PIXASEU/Stock-Fotografie-ID:2166491255

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