Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 30. Januar 2025 (Az.: 2 K 2140/22) entschieden, dass eine gemeinnützige Stiftung Vorsteuern aus Maßnahmen zur Renaturierung geltend machen kann, sofern diese Maßnahmen im direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit steuerpflichtigen Verkauf von Ökopunkten stehen. SCHOMERUS hat dieses Urteil für die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe erstritten.
Das deutsche Umsatzsteuerrecht ermöglicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG den Vorsteuerabzug für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem Unternehmer für sein Unternehmen bezogen werden. Unionsrechtlich basiert diese Regelung auf Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL), wonach Vorsteuern nur dann abgezogen werden können, wenn die bezogenen Eingangsleistungen für Zwecke steuerpflichtiger Umsätze des Unternehmens verwendet werden.
Ökopunkte sind ein Instrument des Naturschutzrechts, das es Unternehmen ermöglicht, Eingriffe in Natur und Landschaft durch Kompensationsmaßnahmen auszugleichen. Durch naturschutzfachliche Aufwertungen generierte Ökopunkte können von ausgleichspflichtigen Dritten erworben werden, um ihre gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Die Veräußerung solcher Ökopunkte durch gemeinnützige Einrichtungen unterliegt der Umsatzsteuer, wobei nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG regelmäßig der ermäßigte Steuersatz Anwendung findet.
Das strittige Problem in diesem Fall war, ob die durchgeführten Renaturierungsmaßnahmen als nichtwirtschaftliche, ideelle Tätigkeiten der gemeinnützigen Klägerin einzustufen sind – was den Vorsteuerabzug ausschließen würde – oder ob diese Maßnahmen im direkten wirtschaftlichen Zusammenhang mit den steuerpflichtigen Umsätzen aus dem Verkauf der Ökopunkte stehen, sodass ein Vorsteuerabzug gewährt werden muss.
Die Klägerin, eine gemeinnützige Stiftung, verfolgt nach ihrer Satzung unter anderem die Förderung des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Im Rahmen dieser Tätigkeit führte sie Renaturierungsmaßnahmen auf zwei Liegenschaften durch. Diese Flächen wurden ihr teilweise unentgeltlich von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) übertragen, wobei sie sich die Stiftung verpflichtete, die naturschutzfachliche Qualität dauerhaft zu erhalten.
Die durchgeführten Maßnahmen umfassten unter anderem den Abriss bestehender Gebäude, die Entsiegelung von Flächen und die Schaffung neuer Lebensräume für bedrohte Arten. Bereits in der Planungsphase wurde analysiert, welche Maßnahmen geeignet sind, um eine bestimmte Anzahl an Ökopunkten zu generieren. Nach Umsetzung der Maßnahmen beantragte die Stiftung die Anerkennung der Ökopunkte bei der zuständigen Naturschutzbehörde und bot diese anschließend Unternehmen zum Erwerb an.
In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2018 machte die Stiftung den Vorsteuerabzug für die mit der Renaturierung verbundenen Aufwendungen geltend. Das Finanzamt erkannte jedoch nur einen Teil dieser Vorsteuer an und verwehrte den restlichen Abzug mit der Begründung, dass die Maßnahmen vorrangig der ideellen Tätigkeit der Stiftung dienten und der Verkauf der Ökopunkte lediglich ein Nebenprodukt sei. Nachdem der Einspruch der Klägerin erfolglos blieb, erhob sie Klage beim FG Berlin-Brandenburg.
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg entschied zugunsten der Klägerin und erkannte den vollständigen Vorsteuerabzug für die Renaturierungsmaßnahmen an. Es stellte fest, dass zwischen den Eingangsleistungen und den steuerpflichtigen Umsätzen aus dem Verkauf der Ökopunkte ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Maßgeblich für diese Beurteilung war, dass die Klägerin die Maßnahmen gezielt zur Generierung von Ökopunkten durchgeführt hatte und ohne die Aussicht auf deren späteren Verkauf die Maßnahmen in dieser Form nicht umgesetzt worden wären.
Das Gericht widersprach der Auffassung des Finanzamts, wonach die Maßnahmen primär der Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke der Stiftung dienten und der Verkauf der Ökopunkte lediglich ein Nebenprodukt sei. Es stellte klar, dass auch eine gemeinnützige Tätigkeit unternehmerische Aspekte aufweisen kann und dass für den Vorsteuerabzug nicht die ertragsteuerliche, sondern die umsatzsteuerliche Einordnung maßgeblich ist.
Zudem argumentierte das Gericht, dass eine künstliche Trennung zwischen den naturschutzfachlichen Maßnahmen und dem Ökopunktehandel nicht gerechtfertigt sei. Die Klägerin hatte bereits im Vorfeld sorgfältig kalkuliert, wie viele Ökopunkte durch die jeweiligen Maßnahmen generiert werden können und sich bewusst für solche Projekte entschieden, die eine wirtschaftliche Refinanzierung ermöglichen. Diese Planung und die tatsächliche Umsetzung belegten die wirtschaftliche Zielsetzung der Stiftung.
Weiterhin betonte das Gericht, dass die Besteuerung der Umsätze aus dem Verkauf der Ökopunkte durch das Finanzamt nicht mit der gleichzeitigen Verweigerung des Vorsteuerabzugs in Einklang zu bringen sei. Umsatzsteuerrechtlich sei es nicht zulässig, den Verkauf der Ökopunkte als steuerpflichtig zu behandeln, gleichzeitig aber den Vorsteuerabzug für die damit zusammenhängenden Aufwendungen zu versagen.
Das Urteil macht deutlich, dass der Vorsteuerabzug nicht allein durch die Tatsache ausgeschlossen werden kann, dass eine gemeinnützige Organisation ihre Satzungszwecke verfolgt. Entscheidend bleibt die objektive wirtschaftliche Verknüpfung zwischen Eingangs- und Ausgangsleistungen.
Die Revision wurde nicht zugelassen.
Das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg hat weitreichende Bedeutung für gemeinnützige Organisationen, die naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen durchführen und daraus Ökopunkte generieren. Es bestätigt, dass der Vorsteuerabzug nicht allein mit der Begründung verweigert werden kann, dass die Maßnahmen zugleich satzungsgemäße Zwecke erfüllen. Entscheidend ist vielmehr, ob eine objektive wirtschaftliche Verbindung zwischen den Eingangsleistungen und den steuerpflichtigen Umsätzen besteht.
Die Entscheidung stärkt die steuerliche Planungssicherheit für Organisationen, die über den Ökopunktehandel Einnahmen erzielen. Sie zeigt, dass eine klare unternehmerische Strategie – etwa durch eine gezielte Kalkulation der Maßnahmen mit Blick auf eine wirtschaftliche Refinanzierung – den Vorsteuerabzug sichern kann. Gemeinnützige Organisationen sollten daher ihre Projekte und deren Finanzierung frühzeitig dokumentieren und nachweisen, dass die Maßnahmen nicht rein ideell motiviert sind, sondern im Zusammenhang mit steuerpflichtigen Umsätzen stehen.
Für die Finanzverwaltung bedeutet das Urteil, dass sie den Vorsteuerabzug bei vergleichbaren Sachverhalten nicht pauschal mit Verweis auf die Gemeinnützigkeit versagen kann. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung gegen die Entscheidung im Wege einer Nichtzulassungsbeschwerde vorgeht.
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