Die Bundesregierung beabsichtigt im Rahmen des Jahressteuergesetztes 2024 den Vorsteuerabzug neu zu regeln. Vorsteuern aus Rechnungen von Unternehmern, die die IST-Versteuerung anwenden, sollen ab 2026 erst bei Zahlung der Rechnung abzugsfähig sein. Von dieser Neuregelung ist auch der Dritte Sektor betroffen, wenn die gemeinnützige Organisation ganz oder teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Auf Antrag können Unternehmer unter gewissen Voraussetzungen ihre Umsätze nach der sogenannten IST-Versteuerung berechnen. Die Grundlagen hierfür sind in § 20 UStG geregelt. Die Umsatzsteuer entsteht dann nicht bereits bei der Leistungserbringung, sondern erst bei der Vereinnahmung des Umsatzes und ist dann auch erst zu deklarieren sowie an das Finanzamt abzuführen.
Unabhängig davon, ist gemäß der aktuellen Rechtsauffassung der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 UStG aus Eingangsleistungen bislang bereits dann möglich, sobald dem Unternehmer eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt und die Leistung ausgeführt worden ist. Auf den Zeitpunkt der Zahlung kommt es dabei aktuell nicht an.
Die derzeit geltende Regelung führt dazu, dass der Rechnungsempfänger bereits beim Leistungsbezug und bei Vorlage einer ordnungsgemäßen Rechnung die Vorsteuer vom Finanzamt erstattet bekommt, der leistende Unternehmer, der die IST-Versteuerung anwendet, hingegen die Steuer unter Umständen erst zu einem späteren Zeitpunkt – und zwar erst bei Vereinnahmung des Umsatzes – deklariert und an das Finanzamt abführt.
Dieses Ungleichgewicht aufgrund der aktuellen Regelung in § 15 UStG war in der Vergangenheit bereits Gegenstand eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt und einem Steuerpflichtigen und wurde bis zum obersten Europäischen Gerichtshof getragen. Die Richter aus Luxemburg stellten daraufhin klar, dass nach der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie das Recht des Leistungsempfängers auf Vorsteuerabzug erst mit dem entsprechenden Steueranspruch aus der Leistung gegenüber dem Leistungserbringer entsteht (Urteil vom 10. Februar 2022, C-9/20).
Die geplante gesetzliche Änderung des § 15 UStG soll nun Klarheit schaffen und den Zeitpunkt des Vorsteuerabzug im Falle der IST-Versteuerung im Gesetz eindeutig und in zutreffender Auslegung des europäischen Rechts festlegen. Zukünftig soll es beim Vorsteuerabzug somit auf den Zeitpunkt der Zahlung ankommen, wenn die Rechnung von einem Unternehmer ausgestellt wird, der die IST-Versteuerung anwendet, so geht es aus dem Regierungsentwurf des Jahressteuergesetzes 2024 hervor.
Damit der Rechnungsempfänger dies erkennen kann, muss auf die IST-Versteuerung durch eine neue Rechnungspflichtangabe hingewiesen werden. Fehlt dieser Hinweis, dürfte der zutreffende Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs für den Rechnungsempfänger ohne hohen zusätzlichen Aufwand schwer ermittelbar sein.
Der mit der Neuregelung einhergehende und vorübergehende Mehraufwand für den Rechnungsempfänger und die entstehende Rechtsunsicherheit soll durch eine „Nichtbeanstandungsregelung für gutgläubige Rechnungsempfänger“ aufgefangen werden, so die Aussage aus dem Bundesministerium für Finanzen (BMF). Ob die Nichtbeanstandungsregelung noch den Einzug ins Gesetz schafft oder lediglich durch ein gesondertes BMF-Schreiben fixiert wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch offen. Auch ist noch unklar, wie die Gutgläubigkeit in der Praxis nachgewiesen werden kann und in welchem Umfang der Rechnungsempfänger selbst Nachforschungen anzustellen hätte.
Bis zur Einführung der Neuregelung ist noch ein wenig Zeit. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber in Umsetzung der europäischen Rechtsprechung eine bürokratiearme Regelung für die Übergangszeit findet und bis zur Einführung Klarheit darüber schafft, ob und wer ab dem 1. Januar 2026 seine Rechnungen um zusätzliche Rechnungsangaben ergänzen muss. Wir halten Sie hierüber auf dem Laufenden.
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