Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) hat mit Urteil vom 14.11.2023 (Az. 8 K 8012/23) über die Prüfungstiefe von Feststellungsbescheiden nach § 60a AO entschieden.
§ 60a AO regelt die gesonderte Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen einer Steuerbegünstigung nach den §§ 51 bis 68 AO. Diese Feststellung ist bei neu gegründeten Körperschaften Voraussetzung für die Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen und bindet die Finanzverwaltung bei nachfolgenden Veranlagungen. Nach § 60a Abs. 6 AO ist die Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AO allerdings abzulehnen, wenn Erkenntnisse vorliegen, dass die tatsächliche Geschäftsführung gegen die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit verstößt.
Der Kläger war ein Verein, der nach dem Entwurf seiner Satzung die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens im Geltungsbereich der AO zum Zwecke hatte. Demnach sei der Kläger parteipolitisch neutral und grenzt sich von jedweder extremistischen Strömung ab. Auf seiner Website betrieb er einen Blog. Das zuständige Finanzamt lehnte einen Bescheid wegen § 60a Abs. 6 AO ab mit der Begründung, dass die Verwaltung aufgrund der Darstellung des Vereins auf der Website zu der Erkenntnis gelange, dass sich die tatsächliche Geschäftsführung laut der Website nahezu ausschließlich mit nur einem Thema beschäftigte und somit gegen die parteipolitische Neutralität der Satzung verstoße. Der Kläger führte an, dass eine solch umfassende Prüfung nicht von § 60a Abs. 6 Satz 1 AO erfasst sei. Ein hiergegen gerichteter Einspruch blieb erfolglos. Zu Recht, wie das FG nun entschied.
Das erkennende Gericht folgt dem Kläger nicht darin, dass § 60a Abs. 6 Satz 1 AO nur eine eingeschränkte Prüfungstiefe aufweise. Prüfungsmaßstab für die “tatsächliche Geschäftsführung” seien – in Anlehnung an § 63 Abs. 1 AO – nicht lediglich die ordnungsmäßigen Aufzeichnungen über die Einnahmen und Ausgaben der Körperschaft, sondern auch ganz grundsätzlich die Satzung. Die Satzung müsse nämlich aufgrund der §§ 59 bis 61 AO alle wesentlichen gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung gemeinnützigkeitsrechtlicher Steuervergünstigungen enthalten. Die Körperschaft müsse durch ihre Geschäftsführung deshalb insbesondere die in der Satzung bestimmten steuerbegünstigten Zwecke tatsächlich verfolgen.
Nach Ansicht des Gerichts hätten der Finanzverwaltung bereits bei Ablehnung des Bescheids nach § 60a AO die nötigen Erkenntnisse vorgelegen, um zu erkennen, dass die tatsächliche Geschäftsführung nicht auf die gemeinnützige allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens gerichtet war. Eine solche läge grade dann nicht vor, wenn regelmäßig eigene politische Zwecke verfolgt würden. Die Vereinigung müsste nach der Rechtsprechung in ihrer politischen Bildung geistig offen sein und dürften nicht das Ziel verfolgen, Lösungsvorschläge für Problemfelder der Tagespolitik durchzusetzen.
Zur Prüfung dieser Voraussetzungen im Rahmen des § 60a AO dürfe die Finanzverwaltung neben den vorgelegten Unterlagen eben auch die Website des Antragstellers prüfen. Jeder einzelne Beitrag auf der Website des Klägers sei mit zumindest mittelbarer Kritik an den drei Staatsgewalten und dem demokratischen Staatswesen versehen. Insofern unterscheide sich die Website des Klägers nicht von anderen Themenblogs im Internet. Es fände grade keine objektive und neutrale Förderung des demokratischen Staatswesens statt, sondern eine einseitige und tagespolitisch beeinträchtigte Förderung. Dies entspreche nicht der gemeinnützigen allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens, weshalb genügend Anhaltspunkte für eine Ablehnung im Sinne des § 60a Abs. 6 Satz 1 AO vorlagen.
Diese Entscheidung ordnet sich in die umfassende finanzgerichtliche Rechtsprechung zur politischen Betätigung von gemeinnützigen Organisationen ein. Es wird deutlich, dass auch außerhalb der Satzung und den Geschäftsbüchern stehende Umstände dazu führen können, dass von Beginn an bereits die Gemeinnützigkeit von politisch tätigen Organisationen nicht anerkannt wird. Die Bundesregierung hatte sich auf die Agenda geschrieben, zur politischen Betätigung im Gemeinnützigkeitsrecht Reformen vorantreiben zu wollen, geschehen ist noch nichts. Dieses Urteil zeigt, dass ein Handeln des Gesetzgebers weiterhin dringend nötig bleibt. Die Revision ist zugelassen, insofern bleibt abzuwarten, wie der Bundesfinanzhof in diesem Fall entscheiden wird.
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