Verein ist “nahestehende Person” im Sinne des Insolvenzrechts

11.04.2024
Gemeinnützigkeit
2 Minuten

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 22.02.2024 (Az. IX ZR 106/21) entschieden, dass eine „nahestehende Person“ im Sinne des Insolvenzrechts bei einer juristischen Person laut BGH auch ein mittelbar beteiligter Verein sein kann, wenn dieser zu mehr als einem Viertel am Kapital des Schuldners beteiligt ist.

Der § 130 Abs. 3 InsO stellt die Vermutung der Kenntnis über eine zur Insolvenzanfechtung berechtigenden Zahlung auf, sofern der Empfänger der Zahlung eine nahestehende Person im Sinne des § 138 InsO zur leistenden Gesellschaft ist. Wird eine solche nahestehende Person angenommen, hat der Empfänger den erhaltenen Geldbetrag im Falle der Insolvenz nach Anfechtung des Insolvenzverwalters zurückzuzahlen.

Sachverhalt

Vorliegend hat der Insolvenzverwalter einer insolventen GmbH einen eingetragenen Augenoptikerverein, wegen Anfechtung mehrerer Zahlungen in Höhe von insgesamt € 300.000, verklagt. Der Verein war alleiniger Gesellschafter einer GmbH. Die GmbH selbst war wiederum alleinige Gesellschafterin der insolventen Schuldnerin. Diese hatte von ihrem Geschäftskonto mehrfach Gelder an den Verein überwiesen. Die Gründe und der rechtliche Hintergrund dieser Zahlungen waren zwischen den Parteien umstritten.

Das OLG Nürnberg hatte zunächst entschieden, dass der für juristische Personen geltende § 138 Abs. 2 InsO auf die mittelbare Beteiligung nicht anwendbar sei. Demnach scheitere die Insolvenzanfechtung schon an der fehlenden Kenntnis der finanziellen Lage der Schuldnerin. Zu Unrecht, wie der BGH nun entschied.

Entscheidung des Gerichts

Der BGH stellte fest, dass eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung vorliegt und dass die Kenntnis des Beklagten von einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zum Zeitpunkt der Überweisung gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 InsO zu vermuten sei. Dies begründe sich darauf, dass der Beklagte aufgrund seiner mittelbaren Beteiligung an der Schuldnerin als nahestehende Person gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO anzusehen sei.

Das Gericht entschied, dass wenn der Schuldner wie vorliegend eine juristische Person sei, seien unter anderem solche Personen als nahestehen anzusehen, die zu mehr als einem Viertel am Kapital des Schuldners beteiligt sind. Die Bestimmung umfasse mithin auch die mittelbare Beteiligung. Auch ohne ausdrückliche Regelung in § 138 InsO entspreche es dem in § 16 Abs. 4 AktG (Mehrheitsbesitz der Anteile) zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, für die Berechnung der Kapitalbeteiligung auch mittelbare Beteiligungen am Schuldner einzubeziehen.

Der Senat betonte zudem, dass die Vermutung der Kenntnis sich ausschließlich auf die Kenntnis der Überschuldung beziehe und nicht auf die objektiven Anfechtungsvoraussetzungen. Es obliege dem Insolvenzverwalter diese darzulegen und zu beweisen.

Praxishinweis

Der Fall zeigt, dass auch mittelbare Unternehmensbeteiligungen von Vereinen dazu führen können, dass im Insolvenzfall etwaige Zahlungen an den Schuldner zurückzuzahlen sind. Insbesondere Berufsverbände, aber auch Dachorganisationen sind oftmals an nachstehenden Gesellschaften vermögensmäßig beteiligt. Werden im Zeitpunkt der Überschuldung weiterhin Zahlungen an die übergeordneten Gesellschaften geleistet, laufen die Beteiligten Gefahr, dass diese durch den Insolvenzverwalter zurückgefordert werden.

Bildnachweis:Ralf Liebhold/Stock-Foto ID: 2201999485

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